Brüssel. Nach heftigem Streit: EU-Regierungen schmieden einen Minimalkompromiss

Die Staats- und Regierungschefs der EU haben sich nach einer hitzigen Debatte auf eine freiwillige Umverteilung von Flüchtlingen in Europa geeinigt. Bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel schmiedeten die Regierungen in der Nacht zum Freitag einen Minimalkompromiss in der heiklen Frage. Bis 2017 sollen insgesamt 40.000 Flüchtlinge von Italien und Griechenland aus in andere EU-Länder umgesiedelt werden. Deutschland könnte 20 Prozent dieser Schutzsuchenden – also rund 8000 Menschen – aufnehmen, wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums in Berlin erläuterte.

20.000 Schutzbedürftige will die EU außerdem direkt aus Krisengebieten einfliegen, etwa aus Lagern rund um Syrien. Mit ihren Beschlüssen orientieren sich die Regierungen an Vorschlägen der EU-Kommission von Ende Mai. Allerdings vereinbarte der Gipfel keinen verbindlichen Verteilschlüssel für Flüchtlinge, wie ihn der EU-Kommissionspräsident­ Juncker gefordert hatte. Geplant sei eine „Umverteilung auf freiwilliger Basis, an der sich aber alle Mitgliedstaaten beteiligen wollen“, erläuterte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Die Innenminister der Staaten sollen nun bis Ende Juli gemeinsam klären, wer wie viele Menschen aufnimmt. Ausnahmen will die EU im Fall der östlichen Länder Ungarn und Bulgarien akzeptieren. Ungarn verzeichnet derzeit gemessen an seiner Einwohnerzahl schon hohe Flüchtlingszahlen. Die Regierung in Budapest hatte in den letzten Tagen mit drastischen Worten klargemacht, dass die Kapazitäten dort erschöpft seien. Auch Bulgarien, das ärmste Land der EU, muss sich nicht zusätzlich engagieren. Wegen besonderer Vertragsklauseln mit der EU können sich auf Wunsch auch Großbritannien, Irland und Dänemark ausklinken.

Entsprechend enttäuscht bewerteten Flüchtlingsrechtler die Beschlüsse des EU-Gipfels. Angesichts der hohen Flüchtlingszahlen im Mittelmeerraum sei die Reaktion der EU „völlig unzureichend“, kritisierte der Geschäftsführer der Organisation Pro Asyl, Günter Burkhardt. „Der Druck auf die EU-Grenzstaaten, ihre Grenzen zu Bollwerken gegen Schutzbedürftige auszubauen, wächst“, warnte er. Er verwies dabei auch darauf, dass die EU die Abschottungskomponente ihrer Politik weiter ausbauen wolle, etwa mittels konsequenterer Abschiebungen. Kritik kam auch von grünen und linken Europaparlamentariern.

Mehr europäischen Zusammenhalt verlangte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Derzeit sei die EU noch weit von einer fairen Verteilung der Flüchtlingsströme entfernt. Die europäische Flüchtlingspolitik sei „ein Trauerspiel“, rügte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz.