Berlin. Gesetzentwurf sieht bis zu fünf Jahre Haft für Beihilfe zum Selbstmord vor

Wer anderen bei der Selbsttötung hilft, soll dafür hart bestraft werden: Bis zu fünf Jahre Haft für Angehörige oder Ärzte, die einem Sterbewilligen helfen, fordert der CDU-Politiker Patrick Sensburg in der Debatte um die Neuregelung der Sterbehilfe in Deutschland. Der Vorstoß stößt auf heftigen Widerstand – sowohl im Parlament, aber auch in Teilen der Ärzteschaft.

„Unbarmherzig“, findet SPD-Vize Carola Reimann den Vorschlag mit Blick auf Angehörige oder Freunde, die einem nahen Menschen beistehen wollen. Auch dem Grünen-Gesundheitsexperten Harald Terpe geht Sensburgs Gesetzentwurf zu weit: „Wenn ein Mensch in einer emotionalen Ausnahmesituation einmal in seinem Leben beispielsweise einem Angehörigen beim Suizid hilft, hat das Strafrecht dort nichts zu suchen.“ Sensburg dagegen orientiert sich am Vorbild von Österreich, wo es eine ähnliche Regelung gibt. „Die Sterbehilfe darf auch durch nahe Angehörige nicht als humane Tat gewertet werden“, sagte Sensburg. Selbst der Versuch soll demnach künftig strafbar sein.

Die meisten Mediziner können mit der bestehenden Rechtslage gut leben

Kritik an der Initiative des Abgeordneten aus dem Hochsauerlandkreis und seines baden-württembergischen Parteikollegen Thomas Dörflinger kommt auch vonseiten der Ärzte: „Wenn so eine große Strafe im Hintergrund droht, dann schränkt es die Freiheit der Ärzte ein, sich auf den Patienten einzulassen“, sagte der Berliner Palliativmediziner Bernhard Wörmann dem Abendblatt. Der medizinische Leiter der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) mahnt: „Im Mittelpunkt des ärztlichen Handelns soll der Patient stehen und nicht der Staatsanwalt.“ Eine noch unveröffentlichte Umfrage unter den Mitgliedern der DGHO zeige, dass die meisten Ärzte mit der bestehenden Rechtslage gut leben könnten. Passive Sterbehilfe – das Sterbenlassen oder das Abstellen lebenserhaltender Maschinen – sind derzeit nicht strafbar. Weil auch die Beihilfe zum Suizid straffrei ist, handeln Sterbehilfevereine und Ärzte, die Sterbewilligen beispielsweise todbringende Medikamente überlassen, derzeit ebenfalls legal. Abzugrenzen ist die Beihilfe aber von der Tötung auf Verlangen, bei der etwa Medikamente direkt verabreicht werden. Sie ist strafbar.

Die SPD-Politikerin Reimann fürchtet durch eine strafrechtliche Verschärfung noch weiter reichende Folgen – etwa für die Schmerztherapie am Lebensende: „Wenn Ärzte und Ärztinnen sich ständig einem Rechtfertigungsdruck durch das Strafrecht ausgesetzt fühlen, sind palliative Behandlungsformen, die heute zum Wohle der Patienten genutzt werden, gefährdet.“ Die Drohung mit dem Strafrecht schade mehr, als dass sie helfe.

In der Ärzte-Umfrage der DGHO berichteten viele Mediziner, dass Krebs-Patienten vor allem in den frühen Phasen ihrer Erkrankung nach den Möglichkeiten für einen ärztlich begleiteten Suizid fragen. Nur sehr wenige Ärzte dagegen sahen sich später mit einer konkreten Bitte um Sterbehilfe konfrontiert. „Viele Patienten möchten die Freiheit haben, sie möchten sie aber oft nicht nutzen“, so Krebs-Experte Wörmann.

Anfang Juli will der Bundestag über die Gesetzentwürfe der einzelnen Abgeordneten-Gruppen diskutieren – im Herbst soll es eine Entscheidung geben. Die größte Gruppe mit Politikern aus Union, SPD, Grünen und Linken will die Beihilfe zum Suizid straffrei lassen – aber geschäftsmäßige Sterbehilfe unter Strafe stellen. Gemeint sind damit nicht nur kommerzielle Sterbehelfer, sondern auch Vereine, Ärzte oder andere Einzelpersonen, die ohne Gewinnabsicht, aber regelmäßig Sterbehilfe leisten.

Ärzte sollen einen rechtssicheren Raum für Gewissensentscheidungen erhalten

Eine zweite Gruppe um Peter Hintze (CDU) und die beiden SPD-Politiker Karl Lauterbach und Carola Reimann will ebenfalls gegen Sterbehilfe-Organisationen und deren Geschäftsmethoden vorgehen, vor allem aber Rechtssicherheit für Ärzte schaffen – möglichst über eine zivilrechtliche Lösung. Sterbewillige und ihre Angehörigen sollen sich vertrauensvoll an ihre Ärzte wenden können. Umgekehrt sollen Ärzte einen rechtssicheren Raum für Gewissensentscheidungen erhalten.

Die Gruppe um Renate Künast (Grüne) und Petra Sitte (Linke) will organisierte Sterbehilfe dagegen nicht generell verhindern: „Es geht uns darum, die gewerbsmäßige, also auf Gewinnerzielung ausgerichtete, Sterbehilfe in Zukunft zu verbieten“, so Künast. Nicht-kommerzielle Vereine könnten demnach weiter bestehen, sollen aber besser überprüft werden können.

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