Ankara. 1150 Zimmer, 400 Millionen Euro Kosten. Nun stellt ein Gericht den Schwarzbau infrage

Über Platzmangel kann sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in seinem neuen Amtssitz nicht beklagen. „Etwas mehr als 1150 Zimmer“ habe der Prachtbau, prahlte Erdogan im vergangenen Dezember. Kritik an dem rund 400 Millionen Euro teuren „Weißen Palast“, den Erdogan in einem Waldstück im Westen Ankaras bauen ließ, prallt am Staatsoberhaupt ab. „Dieser Palast gehört nicht mir, dieser Palast gehört dem Volk“, sagt er. Nun hat das oberste Verwaltungsgericht der Türkei eine Ausnahmeregelung gekippt, die Grundlage für den Bau des Palastes war.

Kläger war die regierungskritische Architektenkammer in Ankara, die seit Langem gegen das Prestigeprojekt Sturm läuft. Sie wirft Erdogan vor, den Palast ausgerechnet in einem Naturschutzgebiet gebaut haben zu lassen. Ob der juristische Erfolg der Kammer Konsequenzen haben wird, ist fraglich. Damit, dass der Palast am Ende sogar abgerissen wird, ist nicht zu rechnen. Die Vorsitzende der Kammer in Ankara, Tezcan Karakus Candan, sagt, frühere Urteile, die einen Baustopp verfügt hatten, seien schlicht ignoriert worden.

Nach Ansicht seiner Kritiker hält sich Erdogan ohnehin nicht unbedingt an die Buchstaben des Gesetzes. Sie werfen ihm vor, täglich gegen die Verfassung zu verstoßen. In weniger als zwei Wochen wählt die Türkei ein neues Parlament, und Erdogan ist nach Überzeugung der Opposition auf einer schier endlosen Wahlkampftour für die islamisch-konservative Regierungspartei AKP – obwohl der Präsident nach der Verfassung zur Neutralität verpflichtet ist.

Erdogan weist die Vorwürfe zurück. Seiner Meinung nach hat er als erster vom Volk direkt gewählter Präsident das Recht, jederzeit seine Meinung zu relevanten Themen kundzutun. Das macht Erdogan derzeit quasi ohne Unterlass. Jeden Tag eröffnet der Präsident irgendwo in der Türkei irgendwelche Einrichtungen, viele Sender übertragen die Massenversammlungen live und in voller Länge. Am Dienstag war der Flughafen in Yüksekova in der südosttürkischen Provinz Hakkari – einer Hochburg der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP – dran. Trotz der Auftritte Erdogans, in denen der Präsident die Opposition und allen voran die HDP massiv angreift, könnte die AKP ihre absolute Mehrheit bei der Parlamentswahl verlieren. Umfragen sehen die Partei bei etwa 40 Prozent. Das wären rund zehn Punkte weniger als bei der Parlamentswahl 2011. Sollte der HDP der Sprung über die Zehnprozenthürde gelingen, könnte Erdogans Traum vom Präsidialsystem ausgeträumt sein.

Glaubt man einer Umfrage des Instituts Gezici vom März, hat auch der Prunk-Palast in Ankara nicht zur Beliebtheit der AKP beigetragen. 71,8 Prozent der Befragten sagten, die AKP habe Fehler begangen. Davon sagten wiederum 34,4 Prozent, der „Ak Saray“, der „Weiße Palast“, sei ein solcher Fehler gewesen.

„Ak“ bedeutet nicht nur „weiß“, sondern auch „rein“. Die regierende AK-Partei trägt dieses Wort ebenfalls in der Abkürzung ihres Namens. Dennoch kämpft sie besonders seit Korruptionsvorwürfen im vergangenen Jahr mit dem Image, Vetternwirtschaft und Verschwendung zu befördern. Sogar der stellvertretende Ministerpräsident Bülent Arinc räumte ein, die Regierung habe viele Erfolge erzielt, „aber hinsichtlich der Verschwendung haben wir ein schlechtes Zeugnis“.