Berlin. Anerkannte Flüchtlinge erhalten schneller Unterstützung. Antragssteller vom Westbalkan werden schneller abgeschoben

An das Gespräch mit dem Kanzler kann sich Gerd Landsberg genau erinnern, besser gesagt: an Gerhard Schröders unnachahmlich schnoddrige Antwort. „Ihr seid die Sklaven der Länder, da kann ich euch auch nicht helfen“. Jahre sind vergangen, Schröder ist nicht mehr Kanzler, Landsberg aber weiterhin Haupt­geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Wenn es um wichtige Fragen geht – aktuell um die Flüchtlinge –, setzt sich die Kanzlerin wie am Freitag mit einigen Ministerpräsidenten zusammen. Die Städte waren nicht dabei, obgleich sie die „Hauptbetroffenen“ sind, wie Innenminister Thomas de Maizière (CDU) einräumte. Gestern holte er das nach. In Berlin traf er sich mit ihren Spitzenverbänden. „Mir war das wichtig“, beteuerte de Maizière.

Bis Jahresende werden vermutlich 400.000 Asylbewerber erwartet

Was er ihnen in Aussicht stellte, hörte sich vielversprechend an. Landsberg folgerte, „wir stehen vor einer Neuausrichtung, personell, finanziell, organisatorisch“. Die Asylbewerber sollen so lange in Erstaufnahmeunterkünften bleiben, bis über ihre Anträge entschieden wird. Erst danach sollen sie auf die Kommunen verteilt werden. Das werden zumeist Menschen aus Krisenregionen sein, aus Syrien, Irak, Afghanistan. Sie sollen Sprach- und Integrationskurse erhalten und auf dem Arbeitsmarkt vermittelt werden.

Die Mehrheit der bis Jahresende vermutlich 400.000 Asylbewerber wird davon nichts haben. Es sind nämlich Armutsflüchtlinge aus dem Westbalkan, „für uns inakzeptabel, für Europa blamabel“, meint de Maizière. Ihre Asylanträge seien „nahezu ohne jede Chance“, erinnert der Präsident des Landkreistages, Reinhard Sager. De Maizière will sie auf wenige zentrale Unterkünfte verteilen, um über ihre Anträge schnell und gebündelt entscheiden zu lassen. Im Regelfall: Ablehnung. Wer nicht freiwillig geht, wird abgeschoben. De Maizière hat den Ländern zugesagt, „dass die Bundespolizei dann an führender Stelle die Abschiebung übernehmen kann“. Im Klartext: Der Bund macht’s. Kurzen Prozess macht er auch politisch: „Wir brauchen dafür keine Gesetzesänderungen.“ Für ein neues Verteilungsverfahren genüge „eine Übereinstimmung mit allen Ländern“, erläuterte der Minister.

Die sind dafür. Der Bund erspart ihnen Arbeit und Kosten. Dieser gehe „vernehmlich in Vorleistung“ mit mehreren hundert Millionen Euro, würdigt der Städtetag-Präsident und Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD). Die Frage ist nur, ob das Geld bei den Kommunen ankommt. Weil sie mit der „Politik der klebrigen Hände“ (der Länder) ihre Erfahrung haben, soll sich eine Arbeitsgruppe mit der „Transparenz der Kosten“ befassen. Darunter fallen etwa die Ausgaben für Krankenversorgung und Unterbringung. Nach Malys Darstellung zahlt die öffentliche Hand jährlich 15,5 Milliarden Euro für das Wohngeld und für die Kosten der Unterkunft, aber nur 1,5 Milliarden Euro für den Wohnungsbau.

Wo junge Flüchtlinge sich melden,dort bleiben sie auch

Die Kommunen wollen, dass mehr gebaut wird und dass Genehmigungen schneller erteilt werden. Der Bund stellt ihnen zwar Immobilien in Aussicht, zumeist leer stehende Militärkasernen. Landsberg gibt aber zu bedenken, „das ist nur eine vorübergehende Lösung.“ Die Flüchtlinge gingen nicht zurück. Die Kommunen gehen auch nicht davon aus, dass der Zuwanderungsdruck nachlassen wird.

Auch die Krankenversorgung soll anders gelöst werden. Bisher stellen die Kommunen in jedem Fall einen Beleg aus, einen Krankenschein. Der Plan ist, dass die Flüchtlinge eine Gesundheitskarte erhalten und die Kosten von Bund und Ländern getragen werden. So werden in Hamburg und Bremen die Arztkosten modellhaft abgerechnet. Einerseits. Andererseits könnte die Karte auch „einen Anreizeffekt haben“, räumt Landsberg ein. Die Menschen sollen nicht kommen, um sich hierzulande „die Zähne machen zu lassen“. Die Kommunen schlagen vor, dass ein Asylbewerber erst dann die Karte erhält, wenn er ein Bleiberecht hat.

Ein spezielles Problem sind die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. 2013 waren es 6583 Fälle, rund 133 Prozent mehr als 2010. Sie kommen großteils aus Afghanistan, Syrien, Somalia und Eritrea. Wo junge Flüchtlinge sich melden oder von der Bundespolizei aufgegriffen werden, dort bleiben sie auch. Zuletzt legte Jugendministerin Manuela Schwesig (SPD) ein Konzept vor, um diese Jugendlichen (und Kosten) erstmals regional zu verteilen.

In der Flüchtlingspolitik geht es um Fragen, die sich vor Ort stellen und am besten dort gelöst werden. „Wir werden nicht müde werden“, betont Maly, „sanft daran zu erinnern, die Kommunen an den Tisch zu holen.“ Landsberg meint, „die Länder haben das Gefühl, die Kommunen gehören uns“. Schröder hat es schon damals gewusst, aber nur anders gesagt.