Paris. Partei oder Papa? Die Chefin des französischen rechtsextremen Front National hat sich für den politischen Vatermord entschieden

„Wenn man demnächst meine Leiche findet, werde ich ganz gewiss keines natürlichen Todes gestorben sein“, wütet Jean-Marie Le Pen am Montagabend. Da war gerade bekannt geworden, dass die Parteispitze dem 86 Jahre alten Gründer des rechtsextremen Front National (FN) nicht nur seine Ehrenpräsidentschaft auf Lebenszeit entzogen, sondern sogar dessen FN-Mitgliedschaft ausgesetzt hat.

„Ein mieser Verrat“, schimpft der Alte weiter und natürlich weiß er, wem er seine Kaltstellung zu verdanken hat: „Meiner Tochter, diesem weiblichen Brutus, lege ich nahe, sich ganz schnell zu verheiraten. Ich will nicht, dass sie weiterhin meinen Namen trägt!“ Der endgültige Bruch zwischen Vater und Tochter Marine Le Pen, seit vier Jahren die Chefin des Front National, ist besiegelt. Aber ausgestanden ist dieses doppelte, zugleich private und politische Familiendrama noch nicht.

Schief hing der Segen im Hause Le Pen schon eine ganze Weile. Doch zum Krach kam es erst vor einem Monat, weil Jean-Marie Le Pen wieder einmal mit antisemitischen Ausfällen für Wirbel sorgte. Als er in einem TV-Interview erneut die Gaskammern in den NS-Konzentrationslagern als „ein Detail der Geschichte“ bezeichnete, ging die Tochter erstmals auf Distanz und verurteilte die Behauptung öffentlich. Prompt legte der Alte in der rechtsextremen Zeitschrift „Rivarol“ nach, bestätigte ungerührt seine Äußerungen und brach dann auch noch eine Lanze für die Ehre des Marschall Philippe Pétain, der im Zweiten Weltkrieg Staatschef des Vichy-Regimes war und wegen Kollaboration mit Nazi-Deutschland zum Tode verurteilt wurde.

Marine Le Pen, 46, deutete die Provokationen als eine offene Kampfansage gegen ihre seit 2011 verfolgte Strategie der Entdämonisierung ihrer Partei. Am 17. April sorgte sie auf einer Sitzung des Parteivorstandes dafür, dass ihrem Vater die FN-Spitzenkandidatur in der südfranzösischen Region Provence-Alpes-Côte d´Azur bei den im Dezember anstehenden Territorialwahlen verweigert wurde. Außerdem kündigte sie an, dass die Parteispitze über die disziplinarischen Maßnahmen gegen ihren Ehrenpräsidenten beraten werde.

Dass der „Crashkurs“ des unverbesserlichen Haudegens irgendwann zu dem persönlichen wie politischen Zerwürfnis mit seiner Tochter führen würde, war absehbar. Laut einem FN-Führungsmitglied soll Marine Le Pen schon seit Monaten nach einer Möglichkeit gesucht haben, den Alten auf das Abstellgleis zu drängen.

Doch selbst wenn es so aussieht, als habe die Tochter den Machtkampf klar gewonnen, will Jean-Marie Le Pen die Waffen nicht strecken. „Ich lasse mich nicht mundtot machen“, drohte er gestern und verwies darauf, dass „das letzte Wort noch nicht gesprochen“ sei. Tatsächlich muss nun innerhalb von drei Monaten ein Parteikongress die Sanktionen gegen den FN-Gründer bestätigen, da die Aberkennung der Ehrenpräsidentschaft eine Statutenänderung voraussetzt.

Bleibt die Frage, wie groß das Störpotenzial des alten Starrkopfs noch ist. Dass die Parteispitze geschlossen hinter ihrer Chefin steht, hat sie gerade bewiesen. Und laut einer Umfrage sehen inzwischen 86 Prozent der FN-Wähler den polternden Parteigründer als „ein Handicap“ an. Jedenfalls ist Marine Le Pen entschlossen, die Stunde für eine grundlegende Erneuerung zu nutzen. Auf dem kommenden Parteikongress will sie die Parteibasis nicht nur über den politischen Tod ihres Vaters abstimmen lassen, sondern auch über eine bis dahin ausgearbeitete Charta für die „Modernisierung der Bewegung“.