Moskau. Waffenschau zum 70. Jahrestag des Sieges über Hitler. EU und USA schicken nur ihre Botschafter. Russland empört

Möglichst allein soll Kremlchef Wladimir Putin auf der Tribüne am Roten Platz bei der bisher größten Militärparade zum Sieg der Sowjetunion über Hitlerdeutschland stehen. So hätte es der Westen gern am 9. Mai. Das auf den Triumph von einst so stolze Land soll wegen seiner Politik in der Ukraine bestraft und international isoliert werden – ausgerechnet zum 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs, den Moskau groß feiert. Doch geht der Plan auf?

26 Staats- und Regierungschefs haben ihre Teilnahme an der bombastischen Waffenschau zugesagt, wie der Kreml mitteilt. Zudem ist Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon unter den Gästen. Auch die Staatschefs von China und Indien kommen. Doch anders als noch zum 60. Jahrestag sind es diesmal deutlich weniger Gäste. 2005 waren es noch 40 Staats- und Regierungschefs. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder und US-Präsident George W. Bush reisten an.

Russische Kommentatoren sprechenvon einem beispiellosen Affront

Diesmal aber sagten viele demonstrativ ab. Dass die Alliierten von einst – USA, Großbritannien und Frankreich – „nur“ ihre Botschafter schicken, trifft die Russen tief. Kremlchef Putin warnte davor, das Kriegsgedenken für „geopolitische Machtspiele“ zu missbrauchen. Russische Kommentatoren sprechen von einem „beispiellosen Affront“. Der 9. Mai soll in diesem Jahr ein Tag großer Emotionen werden mit reichlich Nationalstolz und Patriotismus. Doch von großen Teilen des Westens sieht sich Gastgeber Putin als „Kriegstreiber“ an den Pranger gestellt. Die EU und die USA vergeben ihm nicht die „Annexion“ der Schwarzmeerhalbinsel Krim im vergangenen Jahr. Sich angesichts des Krieges in der Ukraine neben den Kremlchef zu stellen und der Parade mit Panzern, Interkontinentalraketen und Flugzeugen zuzusehen – das empfinden viele Europäer und Amerikaner als Schande.

Zuerst abgewunken hatte US-Präsident Barack Obama. Er sieht Putin als „Aggressor“. Im Kreml heißt es, es sei „bedauerlich“, dass die Zeichen auf Konfrontation stehen. Das Verhältnis ist so schlecht wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr.

Kanzlerin Angela Merkel legt am 10. Mai mit Putin am Grab des Unbekannten Soldaten einen Kranz nieder. Der russische Botschafter in Deutschland, Wladimir Grinin, hat die Moskau-Reise Merkels als wichtige Versöhnungsgeste gewürdigt. Russland und die EU seien „in gewissem Sinn zu Geiseln der Ukraine-Krise geworden“, sagt Grinin in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Mit ihrer Reise zum gemeinsamen Gedenken an die Opfer des Zweiten Weltkriegs bekräftige Merkel nun aber die langjährige Versöhnungspolitik. „Das ist die Bestätigung der Absicht, die Zusammenarbeit zwischen Russland und Deutschland nicht abzubrechen, sondern nach Lösungen für die Situation zu suchen und an eine gemeinsame Politik anzuknüpfen“, meint der Diplomat. Deutsche und Russen hätten tiefe gemeinsame Wurzeln. Der großen Parade aber bleibt auch Merkel fern.

Und selbst von denen, die zum 9. Mai anreisen, erspart sich mancher die Waffenschau am Kreml. Der tschechische Präsident Milos Zeman und der slowakische Regierungschef Robert Fico überlassen ihre Plätze auf der Tribüne lieber Veteranen. Die Ukraine forderte zuletzt, Uno-Generalsekretär Ban möge „wenigstens“ die Parade meiden. An ihr nehmen auch Soldaten aus China, Indien und Armenien teil.

Neben Putin stehen wollen dennoch viele Staatschefs – vor allem aus früheren Sowjetrepubliken. Die Präsidenten der zentralasiatischen Staaten Tadschikistan und Kirgistan haben ihre Paraden extra verlegt, um nach Moskau zu kommen. Auch die Staatsoberhäupter von Kasachstan und Turkmenistan sowie aus den Südkaukasusrepubliken Armenien und Aserbaidschan haben zugesagt. Sie sind auch treue Waffenkunden. Fernbleiben werden aber Georgien und die Ukraine. Sie sahen oder sehen sich seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion selbst mit Russland im Krieg. Auch die baltischen Staaten sowie Weißrussland, Moldau und Usbekistan sind in Moskau nicht mit ihren Präsidenten vertreten. Zugesagt haben wiederum die Balkan-Staaten, das EU-Mitglied Zypern, Kuba, Südafrika und Vietnam.

Mit 27 Millionen Toten brachte die Sowjetunion den größten Blutzoll

„Natürlich haben wir unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht das wärmste Verhältnis mit einigen Ländern in Westeuropa und in Nordamerika“, sagt der Chef der Präsidialverwaltung, Sergej Iwanow. Er wiegelt ab – die Zahl der Gäste sei nicht wichtig. „Es ist vor allem ein russischer Feiertag“, betont er. „Es ist unser Gedenktag.“ Die Russen seien stolz darauf, dass die Sowjetunion einst die „entscheidende Rolle spielte beim Sieg über den Nazismus“. Mit 27 Millionen Toten brachte die damals von Diktator Josef Stalin zum Sieg geführte Sowjetunion den größten „Blutzoll“. Es sei deshalb ein Tag für Kriegsveteranen, sagt Iwanow.

Die ehemaligen Rotarmisten, viele mehr als 90 Jahre alt, sollen bei einem Empfang im Kreml am 9. Mai mit „Rotwein des Sieges“ bewirtet werden. Der eigens zum Jubiläum des Kriegsendes in 7000 Flaschen abgefüllte Tropfen stammt – von der einverleibten Halbinsel Krim.