Berlin. Wirtschaft und SPD fremdeln oft miteinander, Bürger sehen mehr Kompetenz bei der Union

Sigmar Gabriel und die ganze SPD finden es zutiefst ungerecht, dass die Partei derzeit so schlecht bei der Wirtschaftskompetenz abschneidet. Der SPD-Chef will das in seiner Funktion als Bundeswirtschaftsminister ändern – und daran erinnern, dass auch die SPD schon den einen oder anderen erfolgreichen Wirtschaftspolitiker hatte. Doch das Hauptaugenmerk liegt auf einem neuen „Wandel durch Annäherung“.

Gabriel bringt am Montagabend seinen ganzen Beraterstab mit in den holzgetäfelten Meistersaal nahe des Potsdamer Platzes in Berlin. Der langjährige TUI-Chef Michael Frenzel hat zum Gründungstreffen des Wirtschaftsforums der SPD geladen – es soll Kontakt- und Dialogbörse sein, um Vorbehalte zwischen Bossen und Genossen abzubauen. Kritische Unternehmer sollen die SPD nicht als Klassenfeind sehen. Wichtig sei eine Ordnungspolitik, die dem Marktversagen und der Maßlosigkeit im Finanzsektor begegne, die Monopole und Privilegien bekämpfe, sagt er.

Es gibt kaum ein dem breiten Publikum bekannten SPD-Wirtschaftspolitiker

„Wir haben oft aneinander vorbei geredet“, meint Gabriel zu den Hunderten Unternehmern. „Wir wollen in diesem Wirtschaftsforum neue Wege ausprobieren und nicht bloß alte Glaubenssätze wiederkäuen“, betont Gabriel. Mit den größten Beifall gibt es für Gabriels Kritik an der angstbesetzten Debatte um das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP). Gabriels Problem: Von der Bundestagsfraktion angefangen, gibt es heute kaum einem breiten Publikum bekannte SPD-Wirtschaftspolitiker, sein eigener Kurs wird von nicht wenigen Wirtschaftsvertretern als nicht immer stringent empfunden. Mit das größte wirtschaftspolitische Ansehen genießt derzeit Hamburgs SPD-Regierungschef Olaf Scholz.

Gabriel betont, ein Parteibuch sei zum Mitmachen in dem Forum keine Pflicht. „Sie sind hier einer modernen und reformerischen politischen Kraft verbunden. Es ist keine Schande, das auch laut zu sagen“, mahnt er. Stichwort „modern“: Läuft es in der Gegenwart eher trüb, besinnt sich der Sozialdemokrat auf die erfolgreichere Vergangenheit. „Der in den 1970er-Jahren geprägte Slogan ,Wir schaffen das moderne Deutschland!’ ist sehr aktuell“, meint Gabriel mit Blick auf das Motto von Bundeskanzler Willy Brandt. Doch gerade viele der 30- bis 50-Jährigen verbinden Modernität und eine solide Wirtschaftspolitik eher mit der Union. Gabriel läuft so langsam die Zeit davon, das Image zu drehen. Wenn er oder ein von ihm vorgeschickter Kanzlerkandidat nur 25 Prozent bei der nächsten Bundestagswahl 2017 holt, könnte Gabriel ein Karriereknick drohen.