Panama-Stadt. Zwischen den USA und Kuba beginnt auf dem Amerika-Gipfel in Panama eine neue Ära der Beziehungen

Nach Panama wird alles anderes sein, glaubten viele lateinamerikanische Kolumnisten im Vorfeld des Amerika-Gipfels. Vor allem der erste Auftritt Kubas beim Stelldichein der nord- und lateinamerikanischen Staats- und Regierungschefs an diesem Wochenende ist ein historischer Einschnitt in der noch jungen Geschichte des insgesamt zum siebten Mal ausgetragenen politischen Schaulaufens der Region. Mit Spannung wartet ganz Amerika von Alaska bis Feuerland auf den historischen Handschlag zwischen den Präsidenten Raul Castro und Barack Obama.

Dass es dazu kommen könnte, dafür sorgten zuvor die Außenminister der beiden Länder bei ihrem ersten Treffen seit 50 Jahren. US-Außenminister John Kerry und sein kubanischer Kollege Bruno Rodriguez, einer der potenziellen Nachfolger von Präsident Raul Castro an der Spitze des Ein-Parteien-Staates, hatten sich am Donnerstag zu bilateralen Gesprächen getroffen. Das Tempo der Annäherung ist für das traditionell eher langsam reagierende Kuba eine Herausforderung.

Denn mit Kubas offiziellen Delegationen kommen auch all jene Kräfte nach Panama-Stadt, die Havanna in der Vergangenheit gerne als illegal ausgrenzte und demütigte: Dissidenten, Bürgerrechtler, ehemalige politische Gefangene berichten über „das Leben der Anderen“, all jener Kräfte, die sich auch auf Kosten der eigenen Karriere weigerten, im Mainstream der kommunistischen Macht mitzuschwimmen. Der Regierungsfunktionär Luis Morlote stellte in Panama dagegen klar, wer für die KP in Kuba zur Zivilgesellschaft gehört und wer nicht: Diese werde allein von der kubanischen Revolution vertreten.

Die Aufregung um die kubanischen Aktivisten ist der Preis, den Havanna für seinen Annäherungskurs mit Washington zu zahlen hat. Die USA forderten als Gegenleistung für das Ende der Einleitung der Blockadepolitik die Zulassung von Vertretern der kubanischen Zivilgesellschaft, also der Opposition beim Amerika-Gipfel. Im Gegenzug stellt Washington nach Angaben des demokratischen Senators Ben Cardin die Streichung Kubas von der Liste der Terrorländer in Aussicht.

Dies ist ein innenpolitischer Sieg Havannas, das sich damit zumindest in den staatlichen kontrollierten Medien im eigenen Land in seiner Opferrolle bestätigt sehen kann. Castro betonte im Vorfeld stets, dass Kuba ohne Vorbedingungen und auf Augenhöhe an diesem Gipfeltreffen teilnehmen werde. Bislang sperrten sich die USA gegen eine Teilnahme am Amerika-Gipfel, weil Kubas Regierungschefs seit der kubanischen Revolution nicht in freien Wahlen gewählt werden.

Das Logo des Amerika-Gipfels könnte deswegen nicht besser gewählt sein: Es zeigt eine blaue Taube im Norden und eine rote Taube im Süden, die gemeinsam einen Friedenszweig im Schnabel halten. Der US-amerikanische Kapitalismus trifft auf den lateinamerikanischen Sozialismus. Der jahrzehntelange Streit zwischen den beiden Ideologien soll nun beendet werden, ohne dass die Parteien ihre Standpunkte aufgeben müssen und ihr Gesicht verlieren.

Raul Castro war am Donnerstagabend in Panama-Stadt eingetroffen. Im Anzug und nicht – wie in Havanna üblich – im militärischen Outfit. Castro übermittelte noch schnell einen kurzen Gruß an das Volk Panamas und beendete damit das Zittern hinter den Kulissen, ob es tatsächlich erstmals zum vollständigen Treffen aller 35 Staatschefs in der Geschichte des Gipfels kommt.

Vor allem der Streit zwischen den USA und Venezuela hatte zuletzt das Klima wieder vergiftet. Venezuelas Präsident Nicolas Maduro will stolz eine Liste mit Unterschriften präsentieren, die seine Mitstreiter gegen den amerikanischen Imperialismus gesammelt haben. Caracas reagierte damit auf die jüngsten US-Sanktionen gegen Venezuela.

Der Grund dieses US-Vorgehens ist, dass das Land nach monatelangen Unruhen die wichtigsten Oppositionspolitiker trotz des Protestes von Menschenrechtsorganisationen, der Kirche und von Friedensnobelpreisträgern ins Gefängnis gesteckt hatte. Dass Venezuelas Sozialisten laut Berichten erboster Eltern sogar Schüler zur Unterschrift zwangen, zeigt, welch politischer Geist durch den Präsidentenpalast in Caracas weht.

Jetzt aber werden die Karten neu gemischt. Kubas Tourismusindustrie jubelt bereits seit Monaten über hohe Zuwachsraten. „Noch einmal Kuba sehen, bevor McDonalds und Starbucks kommen“, riet die kolumbianische Tageszeitung „El Tiempo“ jüngst ihren Lesern. Die US-Basketball-Profiliga NBA will sich in den nächsten Wochen in Havanna blicken lassen, ebenso die Profikicker von Cosmos New York.

Vor vier Jahren war so etwas noch undenkbar. Damals reiste Ecuadors linkspopulistischer Präsident Rafael Correa aus Protest gegen die Blockade Kubas erst gar nicht zum Amerika-Gipfel ins kolumbianische Cartagena. Solange Kuba nicht dabei sein könne, werde er auch nicht mehr an diesen Veranstaltungen teilnehmen, hatte Correa verkündet. Mittlerweile ist auch Correa in Panama-Stadt eingetroffen. Und die damalige US-Außenministerin Hillary Clinton wird schon bald ein Bierchen in der Altstadt von Havanna trinken können. Vor vier Jahren hatte sich Clinton beim Amerika-Gipfel ausgerechnet in einer Bar von Exilkubanern in Cartagena ein Feierabendbier gegönnt. Der Name der Kneipe damals: Havanna.

Seite 2 Leitartikel: Feindbild hat ausgedient