Berlin. Bundesinnenministerium plant Aufbau von Einheit für Einsätze nur im Inland. Reaktion auf die jüngsten Anschläge von Islamisten in Nachbarländern

Das Innenministerium prüft die Einrichtung einer neuen Anti-Terror-Einheit. Nach Informationen der „Welt“ soll die Truppe den Aufgabenbereich zwischen Bereitschaftspolizei und Elitetruppe GSG 9 füllen und könnte der Bundespolizei angehören. Zuerst hatte das RBB-Inforadio über einen Fortschritt in der Planung berichtet. Eine Sprecherin des Ministeriums sagte: „Es gibt Überlegungen, aber es gibt noch keine Entscheidung.“

Der Aufbau ist eine Reaktion auf die steigende Terrorgefahr und die Anschläge der vergangenen Monate. Die neue Einheit soll als militärisch gut ausgerüstete Truppe unter anderem dann zur Stelle sein, wenn die GSG 9 an ihre Belastungsgrenze kommt, weil es Anschläge an mehreren Orten oder eine länger anhaltende Terrorgefahr gibt. Die neue Einheit soll schnell im Bundesgebiet einsetzbar sein, aber nicht nur in außergewöhnlichen Fällen wie Terrorwarnungen eingesetzt werden.

Entsprechende Überlegungen gibt es im Bundesinnenministerium vor allem seit den Anschlägen von Paris im Januar. Wenige Wochen später hatte Innenminister Thomas de Maizière auf Lücken in der Anti-Terror-Abwehr hingewiesen. Angesprochen auf die Schaffung einer neuen Einheit bestätigte der CDU-Politiker entsprechende Gedankenspiele: „Wir überlegen gemeinsam mit den Ländern, ob es Verbesserungsbedarf bei lang anhaltenden Gefährdungslagen gibt.“

Die Bundesbereitschaftspolizei ist vor allem für große Einsätze rund um Fußballspiele, Demonstrationen, Staatsbesuche oder Großereignisse wie Castor-Transporte zuständig. Auch in den Ländern gibt es Bereitschaftspolizei für solche Aufgaben. Die GSG 9 wiederum ist eine Spezialeinheit der Bundespolizei zur Bekämpfung von Terrorismus und schwerster Ge­waltkrimi- nalität.

Am Mittwoch hatte das Bundeskabinett beschlossen, in den kommenden Jahren deutlich mehr Geld für die Sicherheitsbehörden auszugeben. Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Bundesamt für Verfassungsschutz erhalten insgesamt 750 neue Stellen. Für die Ausstattung gibt der Bund in den kommenden Jahren 328 Millionen Euro zusätzlich aus. Innenpolitiker hatten in diesem Zusammenhang gefordert, bei der Bundespolizei die Zahl der „robusten Einheiten“ zu erhöhen, um Lücken zur GSG 9 zu schließen.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) unterstützte die Überlegungen zur Stärkung der Polizei. „Aufgrund der Erkenntnisse zu den Terroranschlägen in Paris sehen wir uns herausgefordert, dass wir die Polizei in Deutschland noch besser aufstellen müssen“, sagte Herrmann im Bayerischen Rundfunk. Wenn jemand mit schweren Waffen unterwegs sei, sei die Polizei „nicht perfekt ausgestattet“.

Mit Blick auf die islamistische Terrorgefahr fügt die Regierung derzeit verschiedene Bausteine für eine bessere Abwehr zusammen: Bereits der Versuch der Ausreise in die Kampfgebiete soll geahndet werden. Ebenso ist geplant, dass gefährliche Islamisten nicht nur ihren Reisepass, sondern auch den Personalausweis abgeben sollen.

Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, begrüßte ebenfalls die Überlegungen für den Aufbau einer neuen Anti-Terror-Einheit. „Eine solche Einheit schließt eine wichtige Sicherheitslücke“, sagte Wendt dem „Tagesspiegel“. Die Vorgänge in Paris hätten gezeigt, dass es „mobile Sicherheitslagen“ geben könne, für deren Bewältigung „Fahndungskräfte im Nahbereich gebraucht werden“. Dies könne die GSG 9 nicht leisten. Und die Bereitschaftspolizei sei für solche Einsätze zu schlecht ausgerüstet, sagte Wendt.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) dagegen wertete die Pläne als verfehlt. Stattdessen müsste die Bereitschaftspolizei besser ausgestattet und trainiert werden, hieß es.

Die Opposition hat die Überlegungen kritisiert. „Die Anti-Terror-Einheit ist ein neue Episode aus der Reihe symbolpolitischer Vorschläge des Innenministers“, sagte die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic. „Wir brauchen keine neuen Namen und Titel in dieser Debatte, sondern endlich belastbare Konzepte zu einer besseren Personalausstattung vor allem der Bundespolizei. Das wäre das Kerngeschäft des Ministers.“

Auch bei der Linken stießen die Überlegungen auf Ablehnung. Der Plan sei eine Reaktion der Bundesregierung „auf ein allgemeines Gefühl von Unsicherheit und Angst“, erklärte die innenpolitische Sprecherin der Linken-Bundestagsfraktion, Ulla Jelpke. „Wie man eine solche Truppe dauerhaft beschäftigen will, bleibt unklar.“ Es gebe bereits Sondereinheiten von Bund und Ländern. „Bevor eine weitere Einheit geschaffen wird, sollten die bestehenden geprüft werden“, forderte Jelpke.