Bremen.

GÜNTHER LACHMANN

Erst traf es Dresden, dann Braunschweig, an diesem Wochenende nun Bremen. In Sachsens Hauptstadt hatte die Polizei Mitte Januar eine Pegida-Demonstration und alle anderen für diesen Tag geplanten Kundgebungen wegen der Gefahr eines Anschlags verboten. In Braunschweig wurde Mitte Februar kurzfristig der Karnevalsumzug abgesagt, weil, so die Sicherheitsbehörden, „eine konkrete Gefährdung durch einen Anschlag mit islamistischem Hintergrund“ vorliege.

Am Sonnabend dann löste die Bremer Polizei Terroralarm aus, ließ schwer bewaffnete Beamte auf öffentlichen Plätzen patrouillieren, jüdische Einrichtungen stärker als zuvor bewachen und durchsuchte das Islamische Kulturzentrum (IKZ) sowie eine Wohnung in Bremen-Nord. Zwei Verdächtige wurden vorübergehend festgenommen.

Am Sonntagmittag dann ging Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) an die Öffentlichkeit und erläuterte die Hintergründe der Polizeiaktion. Ausgelöst worden sei der Terroralarm durch den Verdacht auf ein Waffengeschäft. Es hätten Hinweise vorgelegen, wonach ein gewaltbereiter Libanese Maschinenpistolen beschafft hätte.

Bei umfangreichen Durchsuchungen am Sonnabendabend seien aber keine Waffen gefunden worden, weshalb die Terrorgefahr nun wieder zurückgestuft werde. „Wir sind froh, dass wir keine Waffen gefunden haben“, sagte Mäurer, der nun davon ausgeht, dass der verdächtige 39-Jährige die Waffen weiterverkaufen wollte. Aber an wen?

Die Hansestadt an der Weser ist ein kriminelles Pflaster. Dort regiert der berüchtigte libanesisch-kurdische Miri-Clan die Unterwelt. Sein „Geschäft“ sind Erpressung, Waffen- und Drogenhandel. Bremen ist aber auch eine Hochburg der Salafisten, von denen die meisten eine lange kriminelle Karriere hinter sich haben.

Allein 360 der bundesweit rund 7000 Salafisten leben in Bremen. Lange Zeit verbreiteten sie ihre Lehre im „Kultur- und Familienverein“ (KuF), den Innensenator Mäurer erst im Dezember 2014 verbot, obwohl schon 2011 zwei Gründungsmitglieder zu Haftstrafen verurteilt worden waren.

Das Gericht sah es damals als erwiesen an, dass sie für Terrororganisationen geworben hatten. Einer von beiden wurde im vergangenen Dezember in den Hochsicherheitstrakt der Oldenburger Justizvollzugsanstalt verlegt, weil er aus der Haft heraus weiterhin enge Kontakte zum KuF unterhalten und mindestens zwei Mithäftlinge für den IS-Krieg in Syrien gewonnen haben soll. Mittlerweile ist das Islamische Kulturzen­trum der alleinige Hort der Salafisten in der Hansestadt, an dem laut Verfassungsschutz vor allem „salafistische Referenten aus Saudi-Arabien“ vortragen. Für diese Szene, so fürchtete die Polizei, könnte der vermutete Waffendeal des Libanesen bestimmt gewesen. Darum löste sie Terroralarm aus.

Mit den Ereignissen von Dresden, Braunschweig und nun Bremen legt sich spürbar die Angst vor einem Anschlag radikalislamischer Terroristen über das Land. Die Blutbäder in Paris und Kopenhagen haben gezeigt, wie real die Gefahr ist. Mitte Januar erst stellten Sicherheitskräfte im ostbelgischen Verviers in einer Wohnung mutmaßlicher Attentäter Kriegswaffen vom Typ Kalaschnikow AK47, Munition, Sprengstoff und Polizeiuniformen sicher.

Noch ist Deutschland verschont geblieben, aber niemand mag mehr ausschließen, dass die aus Deutschland nach Syrien in den Krieg gezogenen Dschihadisten als bewaffnete Killermaschinen zurückkehren und wie die Attentäter von Paris mit kaltblütiger Präzision töten. Allein aus Bremen sind nach Informationen der Sicherheitsdienste 19 Islamisten nach Syrien und in den Irak gereist. Zwei sind vor Ort getötet worden. Vier sind inzwischen zurückgekehrt. Was mögen sie vorhaben?

Inzwischen räumt auch Innenminister Thomas de Maizière (CDU) ein, dass ein Anschlag in Deutschland „nicht total auszuschließen“ sei. Sicherheitskreise sagen es ganz unverblümt: „Spätestens seit der Waffenhilfe für die Kurden steht Deutschland auf der schwarzen Liste des ,Islamischen Staates‘ (IS).“ Insofern ist die angespannte Vorsicht der Sicherheitsbehörden eine lebenswichtige Reaktion auf eine drohende Gefahr. „Die Bremer Polizeiführung hatte kaum noch Handlungsalternativen zu dem groß angelegten Einsatz“, sagt Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, der „Welt“. „Wir werden uns an Terrorlagen wie diese gewöhnen müssen, daran besteht kein Zweifel.“ Gleichzeitig warnt er: „Die Kräfte der Polizei sind erschöpft, schon jetzt.“ Nun räche sich die „dumme Sparpolitik“ vergangener Jahrzehnte. Deshalb müsse in vergleichbaren Situationen auch mit der Absage von Großereignissen gerechnet werden. Weil auf diese Weise die Freiheit der Menschen eingeschränkt werde, müsse ihnen die Politik zumindest das Recht auf Information zugestehen und die Gründe erläutern.

Der Präsident der Bundespolizei, Dieter Romann, warnte in der „Bild“-Zeitung davor, dass sich islamistische Terroristen unter die Flüchtlinge mischen könnten, die nach Europa kommen. Die deutschen Sicherheitsbehörden schauten auch bei Asylbewerbern genau auf mögliche Verdachtsmomente, sagte Romann, der zugleich davor warnte, „diese Menschen unter einen Generalverdacht zu stellen“.

Laut einem Bericht des „Westfalen-Blatts“ sollen Kämpfern der Terrormiliz „Islamischer Staat“ im ostsyrischen Rakka 3800 syrische Blanko-Reisepässe in die Hände gefallen sein. Daher seien im gesamten Schengen-Raum Fahndungsmaßnahmen eingeleitet worden. Eine BKA-Sprecherin betonte zugleich, wegen der Visumpflicht ermögliche ein syrischer Pass allein keine legale Einreise nach Deutschland.