Es bleibt dabei: Gemeinsame europäische Staatsanleihen soll es nicht geben. Gabriel meint, Merkel bluffe bei der Finanztransaktionssteuer.

Berlin. Die Bundesregierung hat ihr striktes Nein zu europäischen Staatsanleihen bekräftigt. „Ich schließe aus, dass es mit dieser Bundesregierung Eurobonds geben wird! Dafür steht die FDP“, sagte Wirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler der „Bild am Sonntag“. Finanzminister Wolfgang Schäuble bekräftigte in Berlin, solange die Finanzpolitik nicht vergemeinschaftet sei und es keinen gemeinsamen Finanzminister gebe, solange könne es auch keine einheitlichen Zinsen geben. Die unterschiedlichen Zinsen in den Mitgliedsländern seien Anreiz für stabiles Wirtschaften.

Ähnlich hatte sich am Freitagabend Kanzlerin Angela Merkel (CDU) geäußert. Eurobonds und kein Durchgriffsrecht der Europäischen Union in die Haushaltspolitik führten „mit Sicherheit zu einer schiefen Ebene“, sagte sie beim Parteitag der Niedersachsen-CDU in Hameln. „Bestenfalls werden wir in Deutschland auf europäischem Durchschnitt landen, aber wohl eher noch schlechter werden.“

Experten des Bundesfinanzministeriums befürchtet laut „Spiegel“, dass die Einführung von Eurobonds Mehrbelastungen in Milliardenhöhe für den Bundeshaushalt bedeuten würde. Im ersten Jahr kämen auf den Etat höhere Zinskosten von bis zu 2,5 Milliarden Euro zu, im zweiten Jahr wären sie schon doppelt so hoch, berichtet das Blatt. Im zehnten Jahr würde die Mehrbelastung zwischen 20 und 25 Milliarden Euro liegen. Die Experten gingen davon aus, dass die Zinsen für Eurobonds verglichen mit Bundesanleihen um rund 0,8 Prozentpunkte steigen würden.

Die Einführung solcher Anleihen würde bedeuten, dass nicht mehr einzelne Staaten Schuldtitel ausgeben, sondern die Euro-Zone als Ganzes. Dadurch würde die Zinslast für hochverschuldete Länder wie Griechenland oder auch Italien sinken, für „Musterschüler“ wie Deutschland würde sie dafür aber höher als heute ausfallen. CSU-Chef Horst Seehofer warnte in der „WirtschaftsWoche“ zudem vor der „inflationären Tendenz“ solcher Anleihen.

Für notwendig hält hingegen Grünen-Parteichef Cem Özdemir die Eurobonds. Sie würden zwar Deutschland belasten, sagte er der „WirtschaftsWoche“. Aber: „Verglichen mit dem, was uns der Zerfall des Euro und damit der EU kosten würde, wäre das eine sinnvolle Investition in eine dauerhaft stabile Gemeinschaftswährung.“ SPD-Fraktionsvize Joachim Poß plädierte in der Zeitschrift dafür, parallel zur Einführung die politische Unabhängigkeit von Krisenländern einzuschränken.

Bundeswirtschaftsminister Rösler betonte, Gemeinschaftsanleihen seien eine große Bedrohung für das deutsche Wirtschaftswachstum. „Wenn wir durch Eurobonds die Risiken anderer Länder übernehmen, dann steigen sofort die deutschen Zinsen. Das würde unser Wachstum in Deutschland dramatisch gefährden.“

Kanzlerin Merkel wird ihren Kurs in der Euro-Schuldenkrise am Montag bei der ersten Sitzung der CDU-Führungsgremien in Berlin erläutern. Mit Spannung wird erwartet, ob erneut Forderungen nach einem Sonderparteitag erhoben werden. Die CDU-Spitze hatte einen Sonderparteitag oder eine Sondersitzung des Parlaments bisher strikt abgelehnt und auf die geplanten Regionalkonferenzen und den Parteitag im November verwiesen.

Um dem wachsenden Unmut in der Unionsfraktion im Bundestag zu begegnen, will Merkel am Dienstagabend in einer Fraktionssondersitzung mit den Abgeordneten über ihren Kurs zur Stabilisierung der Gemeinschaftswährung diskutieren. Die CSU will am 29. August in einer Sondersitzung des Parteipräsidiums über ein Grundsatzpapier zur Euro-Stabilisierung debattieren.

Gabriel: Merkel blufft bei Finanztransaktionssteuer

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vorgehalten, ihr Vorstoß für eine Steuer auf Finanztransaktionen sei nicht wirklich ernst gemeint. „Angela Merkel und ihre jeweiligen Wirtschaftsminister haben diese Finanzmarktbesteuerung in Europa immer verhindert. So wird es auch dieses Mal sein“, sagte Gabriel der Zeitung „Die Welt“ (Samstag).

„Solange Merkel mit der FDP regiert und solange die Union nicht zu einer sozial regulierten Marktwirtschaft zurückfindet, in der Steuern nicht per se schlecht sind, bleibt die Regierung Merkel ein Bremsklotz bei der Regulierung der Finanzmärkte“, sagte Gabriel. Weder Merkel noch der französische Präsident Nicolas Sarkozy hätten bei ihrem Treffen am Dienstag etwas zu dem Thema Regulierung gesagt.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sprach sich in der „Bild am Sonntag“ für einen Satz von 0,05 Prozent je Finanztransaktion als Beitrag der Banken aus – damit seien Steuereinnahmen von bis zu 30 Milliarden Euro jährlich möglich.

Merkel und Sarkozy hatten als Reaktion auf die Börsenturbulenzen und die Euro-Schuldenkrise unter anderem eine Finanztransaktionssteuer für die gesamte EU vorgeschlagen. Dazu sollen die Finanzminister noch in diesem Herbst Pläne vorlegen. Über eine solche Steuer, die sämtliche Geschäfte und Produkte auf den Finanzmärkten betreffen könnte, wird seit Jahrzehnten diskutiert. Ziel ist es, damit exzessive Spekulationen einzudämmen.

Die deutschen Privatbanken lehnten die Steuer erneut als wirkungslos ab. „Die Steuer schützt nicht vor Finanzkrisen, denn Börsenprofis ist es egal, ob sie ihr Geschäft über die Börsen in Europa, Asien oder USA abwickeln“, sagte der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Andreas Schmitz, der „Bild am Sonntag“. „Es ist nur ein Klick am Computer, der den Handelsort festlegt und in steuerfreies Gebiet verlagert. Die großen Steuereinnahmen bleiben also aus.“

Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Heinrich Haasis, geht davon aus, dass die Belastungen durch eine Finanztransaktionssteuer für Privatanleger kaum spürbar sein werden. „Getroffen werden schnell drehende Spekulationsgeschäfte. Niemand sollte deshalb Kleinanleger zu Kronzeugen machen, nur um hochspekulative Geschäfte vor dem Steuerzugriff zu schützen“, erklärte er am Samstag.

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) knüpfte seine Zustimmung an die Beteiligung Großbritanniens. „Die Einführung der Finanztransaktionssteuer kann es nicht ohne die Einbeziehung des Finanzplatzes London geben. Alles andere wäre ein schwerer Fehler“, sagte der stellvertretende CDU-Vorsitzende der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag). Sonst seien allein im Rhein-Main-Gebiet und der Region Frankfurt mehr als 70 000 Arbeitsplätze gefährdet. „Frankfurt muss als Finanzplatz erhalten werden“, forderte der hessische Landeschef.

(dpa/abendblatt.de)