DB-Vorstand Rüdiger Grube beruft sich auf Schlichter Heiner Geißler. Jetzt tobt der Streit um den Stresstest und die neuen Kosten für Stuttgart 21 plus.

Stuttgart/Hamburg. Die Kosten für die Änderungen am weiterhin umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21 hängen wie ein Damoklesschwert über dem Sieg der Projektbefürworter. Zwar hat ihnen der Schlichter Heiner Geißler signalisiert, dass er einen Weiterbau befürwortet. Doch um die Finanzierung der von Geißler vorgeschlagenen Erweiterungen von Stuttgart 21 wird nun heftig gestritten. Vor allem die Grünen kritisierten den Schlichterspruch und kündigten weiteren Widerstand gegen den Bau an.

Am Ende von neun Schlichtungsrunden mit Gegnern und Befürwortern des neuen Tiefbahnhofs hatte Geißler vorgeschlagen, aus Stuttgart 21 durch eine Reihe von Nachbesserungen Stuttgart 21 plus zu machen. Mittelpunkt des Schlichterspruchs ist ein Stresstest. Mit ihm soll die Bahn nachweisen, dass der Neubau tatsächlich wie versprochen im Vergleich zum alten Hauptbahnhof die Abfertigung von 30 Prozent mehr Zügen in den Stoßzeiten bei guter Betriebsqualität ermöglicht.

Bahn-Chef Rüdiger Grube lehnte einen Baustopp ab. „Das Schöne ist, Herr Geißler hat bestätigt, dass Stuttgart 21 gebaut werden soll. Das machen wir jetzt weiter“, sagte Grube dem Bayerischen Rundfunk. Bahn-Vorstandsmitglied Volker Kefer erwartet die Ergebnisse des Stresstests erst Mitte kommenden Jahres. Die Bahn gehe zudem davon aus, dass die Verträge zu „Stuttgart 21“ auch nach einem Regierungswechsel gültig bleiben, sagte Kefer in Stuttgart.

Kefer konnte noch keinen konkreten Termin für die Fortsetzung der Bauarbeiten nennen. Er betonte aber: „Es gibt aus meiner Sicht keinen Grund, nicht mit den Baumaßnahmen weiterzumachen.“ Er kündigte an, über den weiteren Baufortgang öffentlich zu informieren. Auf dem Bauprogramm der Bahn steht die wegen der Schlichtung unterbrochene Grundwasserregulierung, für die nun 17 Kilometer Leitung oberirdisch im Stadtkern verlegt werden müssen. Auch ein unterirdisches Technikgebäude müsse gebaut werden. Dafür seien auch Bäume zu entfernen, die die Bahn aber größtenteils verpflanzen will. An einer für die geplante Neubaustrecke nach Ulm benötigten Brücke wird nach Angaben Kefers weitergebaut.

+++ Heiner Geißlers beste Sprüche aus der Schlichtung +++

+++ Was die Schlichtung ergab +++

Die Bahn hat nach Kefers Worten eine Maximalkapazität von 60 Zügen pro Stunde im Tiefbahnhof errechnet. Die im Stresstest untersuchte Grenze für die Leistungsfähigkeit liegt bei 49 Zügen pro Stunde. Das ist deutlich unter dem Planwert der Bahn, aber 30 Prozent mehr als beim heutigen Kopfbahnhof. Der Schlichterspruch hat den Test noch auf die Spitzenzeit zwischen 7 und 8 Uhr eingegrenzt. Die Bahn hatte bisher von einer Leistungssteigerung um 30 Prozent über den gesamten Tag hinweg gesprochen. Falls der Wert von 49 Zügen pro Stunde nicht erreicht wird, muss laut Schlichterspruch nachgebessert werden. Um mögliche Engpässe zu vermeiden, muss nach Kefers Worten nicht der Tiefbahnhof um zwei Gleise erweitert werden. Vielmehr müssten dessen Zuläufe verbessert werden. Die Kosten dafür hatte Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) mit 150 Millionen Euro angegeben.

Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) kündigte ein Dialogforum unter unabhängiger Leitung an. „Der Gesprächsfaden darf nicht abreißen“, erklärte Mappus. Offen ließ die Landesregierung allerdings, ob die Vorschläge Geißlers realisiert werden. „Die Konzeption von Stuttgart 21 hat sich insgesamt als richtig und tragfähig erwiesen. Ob und in welchem Umfang an diesem Konzept Ergänzungen erforderlich sind, werden wir nach dem von der DB jetzt vorzunehmenden Stresstest gemeinsam entscheiden“, heißt es in einem Sieben-Punkte-Programm.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer sagte der „Leipziger Volkszeitung“, sein Ressort prüfe mögliche Konsequenzen aus dem Schlichterspruch für den Bund. Wie ein Ministeriumssprecher sagte, wird dabei auch geprüft, wo Kostensteigerungen entstehen können. Eine Kostenübernahme durch den Bund werde aber noch nicht geprüft.

Grünen-Chef Cem Özdemir forderte bis zum Ergebnis des Stresstests einen Baustopp. „Daraus folgt zwingend, dass ein Bau- und Vergabestopp gelten muss“, erklärte er in Berlin. Der Grünen-Spitzenkandidat für die baden-württembergischen Landtagswahlen am 27. März, Winfried Kretschmann, kündigte neue Proteste an. „Die Schlichtung hat ja gezeigt, dass unser Konzept Kopfbahnhof tatsächlich machbar und realisierbar ist“, sagte Kretschmann am Dienstagabend in den ARD-Tagesthemen.

Die FDP-Bundestagsfraktion will nach dem Schlichterspruch zu Stuttgart 21 mehr Bürgerentscheide bei vergleichbaren Großprojekten. Das Planungsrecht müsse entsprechend geändert werden, forderte Fraktionschefin Birgit Homburger. Planungsverfahren dürften auch nicht mehr wie in Stuttgart 15 Jahre dauern. „Das kann kein Bürger mehr verfolgen“, sagte die baden-württembergische FDP-Landeschefin.