Zwei Tote bei Terror-Anschlägen in Dänemark – dann erschoss die Polizei den mutmaßlichen Täter. Video-Überwachung führte zu ihm. Die Chronik der Terror-Nacht von Kopenhagen und die heftigen Reaktionen.

Kopenhagen/Berlin. Rund fünf Wochen nach den islamistischen Attentaten von Paris haben terroristische Anschläge Dänemark erschüttert. Innerhalb von zehn Stunden erschoss ein Mann in Kopenhagen einen Filmemacher während einer Diskussion über Meinungsfreiheit und einen jüdischen Wachmann vor einer Synagoge.

Fünf Polizisten wurden verletzt. Der mutmaßliche Attentäter wurde nach dramatischer Fahndung in einem Feuergefecht mit der Polizei getötet. Mehrere Länder sicherten Dänemark ihre Solidarität zu. Angst vor dem Terror wuchs auch in Deutschland. Ein großer Karnevalsumzug in Braunschweig wurde nach Hinweisen auf einen möglichen Anschlag abgesagt.

Täter stammt aus Kopenhagen

Die Taten von Kopenhagen erinnerten an die Anschläge auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ am 7. Januar. Die Pariser Terrorakte könnten den mutmaßlichen Attentäter laut der dänischen Sicherheitsbehörde PET zu seinen Taten angeleitet haben. Ähnlich wie in Frankreich war er der Polizei zuvor bekannt.

Die dänische Nachrichtenagentur Ritzau berichtete am Abend unter Berufung auf die Polizei, der Täter sei 22 Jahre alt, in Dänemark geboren und im „Bandenmilieu“ bekannt.

Einschüchtern lassen will sich Dänemark nicht. „Es gibt viele Fragen, die die Polizei noch beantworten muss“, sagte Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt. „Aber es gibt eine Antwort, die wir heute schon geben können. Und die lautet, dass wir unsere Demokratie verteidigen werden.“ Königin Margrethe beschwor die Dänen, nach den Terroranschlägen zusammenzuhalten.

Schüsse am Nachmittag

Die dramatischen Stunden von Kopenhagen begannen am Sonnabend um 15.33 Uhr. Der junge Mann beschoss mit einer automatischen Waffe von außen das Kulturcafé, in dem eine Veranstaltung zu Gotteslästerung und Meinungsfreiheit stattfand. Der 55-jährige Filmregisseur Finn Nørgaard wurde getötet, drei Polizisten wurden verletzt.

Der Angriff galt vermutlich dem schwedischen Zeichner Lars Vilks. Islamisten kritisieren ihn seit Jahren wegen seiner Mohammed-Karikaturen. Er war bereits mehrfach Ziel von Anschlägen. Vilks blieb unverletzt. Er hatte sich mit einer Organisatorin der Diskussion in einem Kühlraum versteckt.

Großfahndung und weiterer Angriff

Sofort setzte eine Großfahndung ein. Der Attentäter flüchtete laut Polizei zunächst in einem VW Polo und dann per Taxi. Er ließ sich in seine nicht weit entfernte Wohnung fahren. Etwa zehn Stunden nach dem ersten Anschlag versuchte wahrscheinlich derselbe Täter nach Mitternacht, in eine Synagoge einzudringen. Er eröffnete das Feuer und traf einen Mann tödlich in den Kopf – laut jüdischer Gemeinde einen 37 Jahre alten freiwilligen Wachmann. Zwei Polizisten wurden verletzt. Zu einer Feier – der Bat Mizwa – waren in dem Gebäude rund 80 Menschen versammelt.

Inzwischen hatte die Polizei Stellung vor der Wohnung des Mannes nahe dem Bahnhof Nørrebro bezogen. Kurz vor 5.00 Uhr kehrte er zurück. Die Sicherheitskräfte riefen ihm zu. Er eröffnete sofort das Feuer. Die Beamten schossen zurück und töteten den Mann.

Es gebe keine Hinweise auf Komplizen oder einen Aufenthalt des Mannes als Dschihadist in Syrien oder im Irak, sagte PET-Chef Jens Madsen. Gefahndet hatte die Polizei nach einem Mann arabischen Aussehens.

Die Ermittlungen liefen den ganzen Sonntag über auf Hochtouren. Die Polizei stürmte laut Medienberichten ein Internetcafé im Stadtteil Nørrebro und durchsuchte einen Park. Es gab demnach mehrere Festnahmen, unterschiedliche Medien nannten verschiedene Zahlen. Offizielle Angaben lagen zunächst nicht vor.

Zuvor hatten über Stunden Panik und Chaos in der dänischen Hauptstadt geherrscht. Das Geschehen spielte sich in der Innenstadt ab. Auch die Bundespolizei war im Einsatz und überwachte an den drei Flensburger Grenzübergängen den Verkehr.

De Maiziére: Gefahr weiterhin hoch 

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sieht weiter eine hohe Terrorgefahr in Deutschland: „Die Gefährdungslage in Deutschland ist unverändert hoch.“ Kurzfristig wurde der Karnevalsumzug in Braunschweig abgesagt. Am Sonntag waren zum größten Umzug Norddeutschlands bis zu 250 000 Besucher erwartet worden. Laut Polizei wurde aus zuverlässigen Staatsschutzquellen eine „konkrete Gefährdung durch einen Anschlag mit islamistischen Hintergrund“ bekannt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach den Angehörigen der Opfer ihr Beileid aus. In einem Telefonat mit Thorning-Schmidt betonte die Kanzlerin, Deutschland stehe angesichts der menschenverachtenden Anschläge fest an der Seite Dänemarks. EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte: „Unsere Entschlossenheit, alle Arten von Extremismus und Terrorismus zu bekämpfen, wird durch solche Angriffe nur gestärkt.“ Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte: „Wir stehen mit unserem Verbündeten Dänemark gegen den Terror zusammen.“

Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve eilte nach Kopenhagen und legte gemeinsam mit dem französischen Botschafter François Zimeray an dem ersten Anschlagsort Blumen nieder. Zimeray hatte den Anschlag auf das Kulturcafé überlebt. Die Stadt Kopenhagen will am Montagabend der Opfer vom Wochenende gedenken.

Netanjahu fordert Auswanderung von Juden

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu forderte die Juden in Europa zur Auswanderung in den jüdischen Staat auf: „Juden wurden auf europäischem Boden ermordet, nur weil sie Juden waren.“ Der britische Premierminister David Cameron zeigte sich betroffen. Die USA boten Dänemark ihre Hilfe an.