„Er war ein herausragendes Staatsoberhaupt.“ Alle Parteien würdigen den verstorbenen Richard von Weizsäcker. Lesen Sie hier noch einmal seine bewegende Rede von 1985.

Berlin. Mit großer Betroffenheit haben Vertreter von Politik und Gesellschaft auf den Tod des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker reagiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einem „großen Verlust für Deutschland“ durch den Tod einer der „wichtigsten und geachtetsten Persönlichkeiten unseres Landes“. Bundespräsident Joachim Gauck ordnete einen Staatsakt für das „herausragende Staatsoberhaupt“ an. Der 94-jährige Weizsäcker war am Sonnabendmorgen in seiner Dahlemer Miet-Villa Berlin gestorben.

Richard von Weizsäcker war von 1984 bis 1994 Bundespräsident und zuvor unter anderem Bundestagsabgeordneter für die CDU sowie Regierender Bürgermeister von Berlin. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrung setzte er sich als Staatsoberhaupt für eine Aussöhnung mit dem damaligen Ostblock und Gespräche mit der DDR ein. Seine letzte Rede im Amt nutzte er 1994, um Ausländerhass und Rechtsextremismus zu verurteilen.

Für Aufsehen im In- und Ausland sorgte aber vor allem Weizsäckers Rede im Bundestag 1985 zum 40. Jahrestag der deutschen Kapitulation im Zweiten Weltkrieg. Weizsäcker sagte damals, der 8. Mai 1945 sei auch für die Deutschen ein „Tag der Befreiung“ gewesen.

Lesen Sie hier die wegweisende Weizsäcker-Rede.

Diese „notwendige, klare Aussage“ sei bedeutend für das deutsche Selbstverständnis, sagte Merkel. Sie erinnerte auch an Weizsäckers Verdienste in Zusammenhang mit der Wiedervereinigung. Ihm sei die Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas „eine Herzensangelegenheit“ gewesen.

Gauck würdigte seinen Vorgänger als „großartigen Menschen“ und „herausragendes Staatsoberhaupt“. Weizsäcker habe weltweit für ein Deutschland gestanden, „das seinen Weg in die Mitte der demokratischen Völkerfamilie gefunden hatte“.

Bundestagspräsident Nobert Lammert (CDU) erklärte, Weizsäcker habe „wegweisende Worte im Umgang mit der selbst erlebten Geschichte gefunden“. Die Rede von 1985 sei ein „Wendepunkt in der Aufarbeitung des dunkelsten Kapitels deutscher Vergangenheit“ gewesen.

Weizsäckers damalige Äußerungen stünden „für immer als Zäsur in den Geschichtsbüchern“, erklärte auch SPD-Chef Sigmar Gabriel. Linksfraktionschef Gregor Gysi teilte mit, Weizsäcker sei der erste Bundespräsident gewesen, „der die bedingungslose Kapitulation des Hitlerregimes nicht nur für andere Völker, sondern auch für das deutsche Volk begriff und dies öffentlich erklärte“.

Die Grünen-Vorsitzenden Simone Peter und Cem Özdemir erklärten, mit Weizsäcker verliere Deutschland „den Bundespräsidenten der deutschen Einheit und einen engagierten Kämpfer für demokratische und freiheitliche Rechte“. „Seine moralische Integrität wird uns fehlen“, ergänzten die Vorsitzenden der Grünen-Fraktion im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter.

Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) würdigte Weizsäcker, der sich unter anderem als Kirchentagspräsident und EKD-Ratsmitglied engagiert hatte. „In seiner Person hat die Kirche ausgestrahlt, wovon sie spricht“, erklärte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, nannte Weizsäcker einen „Mann des offenen Wortes“. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster erklärte, Weizsäckers Worte zum 8. Mai hätten „vor allem der jüdischen Gemeinschaft aus tiefstem Herzen“ gesprochen.

Nach Weizsäckers Tod werden in den Amtssitzen des Bundespräsidenten in Berlin und Bonn Kondolenzbücher ausgelegt. In Berlin waren bereits am Wochenende Eintragungen möglich, in Bonn wird das Kondolenzbuch am Montag ausgelegt. Der Staatsakt wird am 11. Februar im Berliner Dom abgehalten. Erwartet werden bis zu 1400 geladene Gäste.