Schwere Vorwürfe gegen griechischen Regierungschef Alexis Tsipras in den Tagesthemen. Martin Schulz: „Die glauben, die Europäische Union sei ein erweitertes Griechenland.“

Athen/Hamburg. So hat man Martin Schulz (SPD) noch nie erlebt. So hat sich überhaupt noch kein Präsident des Europäischen Parlaments aufgeführt in einem Gespräch, in dem es um die Euro-Krise, Griechenland-Hilfen und einen neuen Ministerpräsidenten in Athen geht. Doch der Grund für die Aufregung ist ein offenbar exzentrischer Mann auf der europäischen Bühne: Alexis Tsipras, seit wenigen Tagen griechischer Regierungschef. Der Linke von Syriza, der eine Koalition mit Rechtspopulisten eingegangen ist, bringt halb Europa gegen sich auf.

Im Interview mit Tagesthemen-Moderatorin Caren Miosga ist Schulz regelrecht ausgerastet – für diplomatische Verhältnisse. Die Gespräche in Athen müssen ernüchternd gewesen sein für den Präsidenten des EU-Parlaments, der eigentlich eine große Sympathie für die griechischen Anstrengungen hat, die Auflagen für die Hilfen in der Euro-Krise zu erfüllen.

Dass Tsipras und sein rechter Koalitionspartner sich nun Russland annähern wollen, erfülle ihn mit Sorge, so Schulz. Und dann gab er Feuer. Es sei klar, „dass da provoziert werden soll“. In der Anel-Partei sei man „auf dem Trip, dass ... die gelenkte Demokratie das bessere Modell“ sei. „Nicht mit uns! Die gelenkte Demoratie des Wladimir Putin, ich bitte Sie, das ist nicht das Modell fürs 21. Jahrhundert.“

Die transnationale Demokratie in der EU sei eine große Errungenschaft. „Mit dieser Art von Politik kommen sie nicht weiter. Griechenland hat eine neue Regierung gewählt. Okay.“ Aber man könne die Pläne aus den Wahlversprechen „nicht so umsetzen, dass man glaubt, die Europäische Union sei ein erweitertes Griechenland“.

Dass Tsipras von den Reichen nun mehr Steuern verlange, glaube er nicht, „Ich wäre froh, wenn er diese Steuerpolitik durchsetzen würde. Das haben die Vorgängerregierungen nicht geschafft. An die Steuern der richtig Reichen sind die nicht drangegangen.“ In Griechenland seien die Rentner belastet worden, man habe die Schulspeisung abgeschafft. „Jetzt sollen die Milliardäre mal zahlen – wenn er das durchsetzt, hat er ganz Europa an seiner Seite.“ Die Wahlversprechen könne Tsipras aber nicht über das Hilfsprogramm der EU finanzieren. „Das wird so nicht laufen.“

Russland hatte sich grundsätzlich bereiterklärt, Griechenland finanziell zu unterstützen. Sollte eine derartige Bitte an die Regierung herangetragen werden „würden wir das definitiv prüfen“, sagte Finanzminister Anton Siluanow dem Sender CNBC. Dabei würde man allerdings „alle Faktoren der bilateralen Beziehung zwischen Russland und Griechenland berücksichtigen“.

Schulz sagte, die Griechen dürften auch auf keinen Fall die Linie der EU in der Ukraine-Krise verlassen. In den vergangenen Tagen ist über eine Annäherung der neuen Regierung in Athen an Russland spekuliert worden. So hat sich Griechenland zurückhaltend zu dem Vorschlag einiger EU-Partner gezeigt, wegen der Ukraine-Krise neue Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Regierungschef Alexis Tsipras hatte sich noch am Tag seiner Vereidigung mit dem russischen Botschafter in Athen getroffen.

Bei einem Besuch in Griechenland will sich Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem an diesem Freitag über die Pläne der neuen Regierung zur Überwindung der Schuldenkrise informieren. Der Niederländer trifft sich mit dem erst seit Beginn der Woche amtierenden Finanzminister Giannis Varoufakis.

Trotz aller Warnungen der internationalen Geldgeber hatte der neue Ministerpräsident Alexis Tsipras das Rezept der rigorosen Sparpolitik für gescheitert erklärt und einen Schuldenerlass gefordert. Zudem will er Privatisierungen stoppen und Tausende entlassene Beamte wieder einstellen.

Tsipras sprach von einer „neuen Beziehung“ zwischen Athen und den EU-Partnern. Gemeinsames Ziel müssten Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen sein. Das Land plagen Verbindlichkeiten in Höhe von mehr als 300 Milliarden Euro.