Die Gewalt in der Ukraine lässt auch die Spannungen zwischen dem Westen und Russland steigen. Vor allem unter dem Eindruck der Dutzenden zivilen Opfer in Mariupol verschärft sich der Ton.

Brüssel/Berlin. Nach dem Raketenbeschuss der ukrainischen Hafenstadt Mariupol mit mindestens 30 Toten mehren sich die Rufe nach einer härteren Haltung gegenüber Russland. So haben die EU-Staats- und Regierungschefs bereits mit einer konkreten Verschärfung der Sanktionen gedroht. „Angesichts der sich verschlechternden Lage“ forderten sie die EU-Außenminister auf, „die Situation zu bewerten und angemessene Handlungen in Betracht zu ziehen, insbesondere weitere restriktive Maßnahmen“, heißt es in einer Erklärung, die am Dienstag durch den Europäischen Rat in Brüssel veröffentlicht wurde. Darin verweisen die Staats- und Regierungschefs auf „die f ortdauernde und wachsende Unterstützung“, die Russland den Separatisten im Osten des Landes gewähre.

Falls die Regierung in Moskau nicht an einer politischen Lösung des Konflikts ohne weiteres Blutvergießen mitwirke, müsse eine Intensivierung der Sanktionen „in Erwägung gezogen“ werden, sagte der rumänische Präsident Klaus Iohannis. Auch in der Bundesregierung wächst die Bereitschaft zu neuen Zwangsmaßnahmen.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warnte die prorussischen Separatisten vor weiteren Angriffen. „Das wäre eine qualitative Veränderung der Situation, die uns reagieren lassen muss.“ Die EU-Außenminister treffen sich wegen der neuen Gewalt im Osten der Ukraine am Donnerstag in Brüssel zu einer Sondersitzung. Erneut appellierte Steinmeier an Kiew und Moskau, den Vereinbarungen für eine Pufferzone ohne schwere Waffen zur Umsetzung zu verhelfen.

Putin kritisiert Kiew

Der russische Präsident Wladimir Putin kritisierte die ukrainische Regierung in Telefonaten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntag und dem französischen Staatschef François Hollande am Montag erneut scharf, wie der Kreml mitteilte. Die Führung in Kiew wolle die Region Donbass gewaltsam unterdrücken, sagte Putin demnach. Die groß angelegten Kampfhandlungen von Regierungstruppen hätten die Lage in der Südostukraine „katastrophal verschlimmert“. Nötig sei aber ein politischer Dialog zwischen Kiew und den abtrünnigen „Volksrepubliken“, um weiteres Blutvergießen zu verhindern.

Putin bezeichnete die ukrainische Armee in ihrem Kampf gegen prorussische Separatisten als Fremdenlegion der Nato. Die Regierungseinheiten würden keinesfalls nationale Interessen verfolgen, sagte er in St. Petersburg. „Sie streben vor allem das geopolitische Ziel an, Russland einzudämmen.“ Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg wies dies zurück. „Die ausländischen Streitkräfte in der Ukraine sind russisch“, sagte er in Brüssel.

In Mariupol wurden mehrere Opfer des Raketenbeschusses beigesetzt. Die Lage sei ruhig, hieß es am Montagabend. Nach Angaben der Separatisten beschoss die ukrainische Armee die Großstadt Donezk mit Raketen. Es habe keine Opfer gegeben. Von ukrainischer Seite gab es für den Angriff zunächst keine Bestätigung.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zog eine ernüchternde Bilanz ihres Einsatzes im Bürgerkriegsgebiet. „Es ist schon fast eine Blauhelm-Mission, die wir dort übernommen haben – ohne dass wir dafür ausgerüstet wären“, sagte OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier der Tageszeitung „Die Welt“ (Dienstag). Er warf den Rebellen Blockaden vor. Sie ließen die OSZE-Beobachter „oft nur dorthin, wo sie uns haben möchten“, sagte Zannier. „Damit riskieren wir, dass unsere Mission als Propaganda-Instrument missbraucht wird.“

Die ukrainische Führung erklärte in den Separatistengebieten Donezk und Lugansk formell eine Notstandssituation. Alle Behörden landesweit seien in erhöhte Bereitschaft versetzt worden, sagte Ministerpräsident Arseni Jazenjuk.