Die Grünen sind in heller Aufruhr, der „Spiegel“ muss reagieren. Jürgen Trittins Waziristan-Äußerung wird zu einer Partei- und Medienaffäre mit vertraulichen Briefen, die Sie hier lesen können.

Stuttgart/Berlin. Absurdistan bei den Grünen um eine umstrittene Äußerung von Ex-Fraktionschef Jürgen Trittin: Ein seit Langem währender Richtungsstreit zwischen dem Parteilinken Jürgen Trittin und dem Realo-Flügel in Baden-Württemberg bricht wieder auf. Grund ist eine Äußerung, mit der der „Spiegel“ Trittin zitiert hat. Darin bezeichnet der frühere Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion das von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) regierte Bundesland als „Waziristan der Grünen“.

Die pakistanische Region Waziristan gilt als Rückzugsgebiet der radikal-islamischen Taliban. Einigen Parteilinken gelten die baden-württembergischen Grünen mit ihrem wirtschaftsfreundlichen Kurs als zu konservativ.

Parteichef Cem Özdemir forderte eine Klarstellung und Entschuldigung. „Die Äußerungen von Jürgen Trittin sind völlig überzogen. Ich weiß nicht, welcher Teufel ihn da geritten hat“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Flügelübergreifend seien viele in der Partei über diese Wortwahl und den Umgang miteinander verärgert.

Auch die Vize-Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Kerstin Andreae, reagierte irritiert. „Dieser verächtliche Ton ist weder im Stil gegenüber Fraktions- und Parteifreunden noch in der Sache gegenüber den äußerst erfolgreichen baden-württembergischen Grünen akzeptabel.“ Ein Sprecher Kretschmanns sagte auf Anfrage, die Äußerung Trittins sei abwegig und haltlos und nicht wirklich noch ernst zu nehmen.

Trittin bestritt in einem Brief an den „Spiegel“, sich derart öffentlich geäußert zu haben, dementierte die Aussagen jedoch nicht. „Es gibt keine öffentliche Äußerung von mir, die das Land Baden-Württemberg als Waziristan der Grünen charakterisiert“, heißt es dort. Das Nachrichtenmagazin arbeite „mit nicht autorisierten Zitaten von mir“.

Der „Spiegel“ reagierte am Dienstag mit einem Brief an Trittin, den die Berliner „Tageszeitung“ ins Internet stellte. Darin spricht Chefredaktionsmitglied Nikolaus Blome von einem „Missverständnis“, das er bedauere.

Trittin war nach der Bundestagswahl 2013, die für die Grünen in einer herben Enttäuschung endete, als Fraktionschef zurückgetreten. Kretschmann hatte zuletzt vor allem im linken Lager der Grünen für Empörung gesorgt, weil er der schwarz-roten Asylrechtsreform im Bundesrat bei der Abstimmung im September zu einer Mehrheit verhalf. Im Bund stehen die Grünen vor einer programmatischen Erneuerung. Damit wird sich auch der Bundesparteitag im November beschäftigen.