Missverständliches Deutsch? Vitali Klitschko spricht jetzt von Erfahrungen mit dem Mauerfall. Neue Erkenntnisse zum Absturz von MH17.

Berlin/Kiew/Rotterdam. Der Bürgermeister von Kiew, Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko, hat Deutschland um Hilfe für den Bau einer Mauer an der Grenze der Ukraine zu Russland gebeten. „Wir würden uns richtig freuen, Unterstützung von allen Freunden der Ukraine zu bekommen“, sagte Klitschko am Freitag in Berlin. Aus Deutschland sei dabei Hilfe „jeder Art“ willkommen. Klitschko – ein Weggefährte von Präsident Petro Poroschenko – nannte als Beispiele finanzielle Unterstützung und Hilfe durch „Know-How“.

Am Nachmittag korrigierte Klitschko seine Aussagen. Ein Sprecher Klitschkos sagte: „Es liegt an seinem Deutsch. Aufgrund seines schlechten Deutsch hat er sich missverständlich ausgedrückt.“ Klitschko habe nur zum Ausdruck bringen wollen, dass Deutschland die Ukraine mit den Erfahrungen unterstützen solle, die es nach dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung gesammelt habe.

Klitschko hatte die Mauerpläne damit gerechtfertigt, dass es darum gehe, die Separatisten im Osten des Landes von weiterem Nachschub an Waffen und Kämpfern abzuschneiden. Ziel sei nicht ein „Mauerbau zwischen Völkern“, sondern der Schutz vor Aggression. Die Mauer soll nach den Plänen der ukrainischen Regierung bis zu 2300 Kilometer lang werden. Zudem solle es auf knapp 1500 Kilometer Länge einen Graben geben.

Unterdessen schätzt die ukrainische Regierung die Schäden durch den monatelangen Krieg im Osten des Landes auf bisher etwa 700 Millionen Euro. Mehr als 11.000 Gebäude seien durch die Gefechte zwischen der Armee und prorussischen Separatisten weitgehend zerstört worden, sagte Vizeregierungschef Wladimir Groisman.

„Wir haben aber zu einigen Städten keinen Zugang und können die Schäden dort nur schätzen“, sagte er. Unter anderem sollen seit Beginn der Kämpfe im April 4500 Wohnhäuser, 217 Schulen und Kindergärten sowie 45 Kliniken zerstört worden sein. Den Vereinten Nationen zufolge kamen bei den Gefechten bisher insgesamt 3000 Menschen ums Leben.

Das über der Ostukraine abgestürzte Passagierflugzeug der Malaysia Airlines ist nach Ansicht der Strafermittler in den Niederlanden vermutlich von einer Luftabwehrrakete abgeschossen worden. Das sei das „wahrscheinlichste Szenario“ sagte Staatsanwalt Fred Westerbeke. Von den 500 Spuren, die die Sonderkommission sichergestellt habe, konzentrierten sich die Ermittlungen auf 25 Metallteile, die an Opfern und Gepäckstücken gefunden worden seien. Zurzeit werde überprüft, ob diese von dem Flugzeug stammten oder von einer Rakete, sagte Polizeichefin Patricia Zorko.

Die Maschine mit der Flugnummer MH17 war auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur am 17. Juli über der Ostukraine abgestürzt. 298 Menschen wurden getötet, die meisten davon waren Niederländer.

Der niederländische Sicherheitsrat, der die Ursachenuntersuchung leitet, hat technisches oder menschliches Versagen ausgeschlossen. Die Boeing war nach einem ersten Bericht der Experten durch zahlreiche Objekte von außen durchlöchert worden und noch in der Luft auseinandergebrochen. Westliche Staaten gehen davon aus, dass prorussische Rebellen die Maschine mit einer mobilen Boden-Luft-Rakete abgeschossen haben.

Die Sonderkommission untersucht nach eigenen Angaben auch abgehörte Telefongespräche, die prorussische Rebellen am Tag des Unglücks geführt haben sollen. Dabei sollen sie den Abschuss der Maschine zugegeben haben. Außerdem würden rund 20.000 Fotos, 750 Videos sowie etwa 350 Millionen Internetseiten nach möglichem Beweismaterial durchforstet.

Ungeachtet der Waffenruhe in der umkämpften Ostukraine zieht die Europäische Union die Daumenschrauben für Russland weiter an. Am Freitag traten neue Sanktionen in Kraft, die sich vor allem gegen den Energie-, Rüstungs- und Finanzsektor richteten. Mit Kontensperrungen und Einreiseverboten nahm die EU zudem weitere russische Politiker ins Visier. Die Regierung in Moskau erklärte umgehend, der Westen gefährde den Friedensprozess in der Ukraine.

Sie kündigte eine „ruhige und angemessene“ Reaktion an. Präsident Wladimir Putin warb unterdessen angesichts der Strafmaßnahmen des Westens für eine engere wirtschaftliche Kooperation mit China und Zentralasien.

In den vergangenen Tagen hatten europäische Versorger eine Drosselung der Gas-Ströme aus Russland registriert. Der österreichische Energiekonzern OMV erklärte etwa, der russische Monopolist Gazprom habe am Donnerstag und Freitag zehn bis 15 Prozent weniger geliefert als vereinbart.

Die EU-Sanktionen sehen Restriktionen für Finanzgeschäfte der Öl-Konzerne Rosneft, Transneft und der Gazprom-Tochter Gazprom Neft vor. Die gleichen Strafmaßnahmen treffen die Rüstungsunternehmen OPK Oboronprom, den Kampfpanzer-Produzenten Uralvagonzavod sowie den Hersteller der MiG-Kampfjets. Auch der russische Bankensektor wird stärker in die Zange genommen.

Unterdessen hat die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller das russische Vorgehen in der Ostukraine scharf kritisiert. Präsident Wladimir Putin mache das Nachbarland mit einer „dreckigen Propaganda“ und einem „verlogenen Krieg“ kaputt, sagte die 61-jährige Autorin in einem Interview von „Cicero Online“ und dem Louisiana Channel. Wie der russische Präsident die Ukraine destabilisiere und infiltriere, sei unerhört: „Das macht mich krank“, so Müller. Putin könne einfach nicht akzeptieren, dass es die Sowjetunion nicht mehr gebe.

Herta Müller ist während der Ceausescu-Diktatur in Rumänien aufgewachsen. Sie habe sich nicht vorstellen können, dass die Diktatur in Russland so zurückkehre, sagte sie. „Das ist noch viel schlimmer, als was wir damals in der Zeit der Diktatur hatten.“