Die Welt hat sich verändert, sagt der Nato-Chef. Und deswegen müsse sich auch die Nato verändern. Vor allem dadurch, dass die Allianz tatsächlich ihre östlichen Mitglieder gegenüber Russland schützen könne.

Brüssel. Die Nato will künftig „innerhalb weniger Tage“ Truppen in östliche Mitgliedsstaaten entsenden können, sofern diese von Russland bedroht werden. Bündnis-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sagte am Montag in Brüssel, der Nato-Gipfel am Donnerstag und Freitag in Newport (Wales) werde die Schaffung einer „Speerspitze“ der schon bestehenden Schnellen Eingreiftruppe NRF beschließen.

„Wir werden die Reaktionsfähigkeit der Eingreiftruppe erheblich verbessern“, sagte Rasmussen. Er warf Russland vor, „offen in der Ukraine zu intervenieren“. Bisher sind die rund 60 000 Soldaten der NRF innerhalb von sechs Monaten einsetzbar. Künftig sollen „mehrere Tausend Soldaten“ laut Rasmussen „sehr kurzfristig“ einsetzbar sein: „Wir sprechen über wenige Tage.“

Diese „Speerspitze“ soll im Rotationsverfahren von mehreren Verbündeten gestellt werden. „Jeder mögliche Angreifer soll wissen, falls er über einen Angriff gegen ein Nato-Land nachdenkt, dass er dort nicht nur nationalen Soldaten, sondern Nato-Truppen gegenüberstünde.“

Rasmussen bezeichnete den bevorstehenden Gipfel als „entscheidend in der Nato-Geschichte“: „Wir müssen sicherstellen, dass das Bündnis jeden Verbündeten gegen jeden Angriff verteidigen kann.“ Vor allem die drei baltischen Staaten Lettland, Litauen und Estland sowie Polen und Rumänien haben seit Beginn der russischen Militäraktionen gegen die Ukraine mehr Nato-Präsenz in ihrer Staaten gefordert.

Voraussetzung für den Einsatz der neuen schnellen Nato-Truppe sei die Lagerung von Ausrüstung und Versorgungsgütern in den östlichen Ländern, die Verfügbarkeit von Kommandozentralen und die Anwesenheit von Logistikexperten. Nationale Flughäfen und Häfen müssten möglicherweise modernisiert werden, um Verstärkungen durch Nato-Truppen aufzunehmen. „Diese Truppe kann mit kleinem Gepäck unterwegs sein, aber hart zuschlagen“, sagte Rasmussen. Zahlen könne er noch nicht nennen.

Zudem wolle die Nato ihre Aufklärungssysteme ausbauen, die Verteidigungspläne überarbeiten und den Manöverplan durch häufigere „Übungen von verschiedensten Arten an mehr Orten und zur richtigen Zeit ergänzen“. „Das bedeutet mehr sichtbare Präsenz im Osten, solange dies nötig ist“, sagte Rasmussen. „Nicht weil die Nato irgendjemanden angreifen möchte. Aber die Gefahren sind präsenter und sichtbarer. Und wir werden das Nötige tun, um unsere Verbündeten zu verteidigen.“

Ein Abkommen zwischen der Nato und Russland von 1997 verbietet die „dauerhafte Stationierung von substanziellen Streitkräften“ der Nato in den östlichen Nato-Staaten. „Wenige Dinge im Leben sind dauerhaft“, sagte der Nato-Generalsekretär und verwies auf das Rotationsprinzip der Truppenstationierungen und die Tatsache, dass die Truppen ständig außerhalb der östlichen Mitgliedsländer stationeirt seien. „Die Maßnahmen, die wir ergreifen, sind mit dem Abkommen voll vereinbar.“ Leider habe jedoch Russland die Prinzipien dieser Gründungsakte der Partnerschaft zwischen Nato und Russland „eklatant verletzt“. Russland betrachte mittlerweile die Nato nicht mehr als Partner, sondern als Gegner: „Ich bedaure das sehr.“

Er erwarte in Wales eine Selbstverpflichtung der 28 Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten, „bei einer Erholung der Wirtschaft die Verteidigungsausgaben zu erhöhen und die richtigen Summen für die richtigen Dinge auszugeben, nämlich für einsatzfähige, gut ausgebildete und gut ausgerüstete Streitkräfte“. Die Nato werde dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko ihre Unterstützung zusichern. „Wir werden seine Reformprioritäten diskutieren und konkrete Schritte unternehmen, um der Ukraine zu helfen.“

Die Ukraine hatte 2008 von der Nato das Versprechen erhalten, dem Bündnis beitreten zu dürfen, sofern Kiew das wünscht und die Voraussetzungen dafür erfüllt. Danach hatte sich die Regierung gegen einen Beitritt entschieden. Rasmussen sagte, falls die Ukraine wieder einen Beitritt wolle, so werde man „mit der Ukraine über das weitere Vorgehen sprechen“.