Am Sonntag spricht das Oberhaupt der Tibeter über buddhistische Unterweisungen aus Weisheitstexten. Unter anderem äußerte er sich zur Gleichberechtigung und nahm sich Zeit für einige „Auserwählte“.



Hamburg. Mit einem Lächeln posiert der Dalai Lama für ein Foto mit Oma Ella. Die 104-jährige Eleonore Kastner strahlt über das ganze Gesicht, als sie danach mit ihrem Rollstuhl von der Bühne des Congress Centrums Hamburg (CCH) geschoben wird. Wie einige wenige Auserwählte durfte die Berlinerin persönlich den Segen des Friedensnobelpreisträgers entgegen nehmen, bevor er mit seinen buddhistischen Unterweisungen vor 5000 Zuhörern begann. „Ich bin fast 80. Ich denke, im Vergleich zu ihr bin ich jung“, amüsierte sich das Oberhaupt der Tibeter am Sonntag bei seinem Hamburg-Besuch.

Außerdem hat sich der Dalai Lama erneut für die volle Ordination von Frauen zu Nonnen ausgesprochen. „Es gibt keinen Grund, warum Frauen nicht den gleichen Ausbildungsgang machen dürfen wie Männer", sagte das geistliche Oberhaupt der Tibeter bei seinem Vortrag am Sonntag im Kongresszentrum CCH. Dabei setzte er sich mit einem alten buddhistischen Weisheitstext "Santideva" auseinander. Die "Anleitung auf dem Weg zum Erwachen" stammt aus dem achten Jahrhundert.

Am Rande des Dalai Lama-Vortrag kritisierten deutsche Buddhistinnen die fehlende Gleichberechtigung von Frauen in dieser Religion. „Wir haben noch immer ein Patriarchat", sagte Sylvia Wetzel, eine der Vorreiterinnen des Buddhismus im Westen. Wie buddhistische Nonne Carola Roloff sagte, gebe es eine starke Fraktion von Mönchen in Südindien, die sich aufgrund ihrer Tradition gegen die Nonnenordination wenden. Sie seien zum großen Teil Schüler des 14. Dalai Lama. Allerdings sei der Einfluss des Dalai Lama in dieser Frage begrenzt, fügte Roloff hinzu, die als Lehrbeauftragte an der Akademie der Weltreligion in Hamburg tätig ist. „Der Dalai Lama macht sich zwar für die Frauenordination stark. Aber er hat nicht die alleine Befugnis, in dieser Frage zu entscheiden. Das muss im Konsens geschehen.“

Der buddhistische Weisheitstext, der quasi als Bibel des Buddhismus gilt und über den der Dalai Lama heute im CCH seine Vorträge hält, bezieht sich auf die sechs buddhistischen Tugenden Freigiebigkeit, Ethik, Geduld, Tatkraft, Konzentration und Weisheit. „Ich bin nur ein kleiner Student des Mahayana-Buddhismus. Ich bin auch eher ein fauler Student, aber ich bin immer noch sehr daran interessiert, diese Texte zu studieren“, sagte das Oberhaupt der Tibeter am Morgen. Der Dalai Lama überträgt Text in die heutige Zeit und will zeigen, wie man sein Leben durch geistige Schulung meistern und neue Perspektiven einnehmen kann. Ziel sei es, sich spirituell weiterzuentwickeln, um anderen zu helfen.