Auf einem Computer Edathys sollen Internet-Links zu Kinderpornos gefunden worden sein. Sein Anwalt geht davon aus, dass es nicht zu einem Prozess kommt und kritisiert die Staatsanwaltschaft.

Hannover. Sebastian Edathy muss es gewusst haben – oder zumindest geahnt. „Hausschlachtung“ steht seit Sonntag in großen Lettern auf dem Titelfoto seiner Facebook-Seite. Vier Tage später ist klar, dass die Staatsanwaltschaft Hannover Anklage gegen den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten wegen des Besitzes von Kinderpornografie erhebt. Edathys Facebook-Eintrag legt die Vermutung nahe, dass er das hat kommen sehen – und es als „Schlachtung“ empfindet.

Edathys Anwalt Christian Noll kritisiert hingegen die Staatsanwaltschaft, da er und sein Mandant erst über die Medien von der Anklage erfahren haben. „Erneut wurden Informationen an Medienvertreter weitergegeben, bevor Herr Edathy bzw. ich als sein Anwalt in Kenntnis gesetzt wurden“, sagte Noll, der davon ausgeht, dass es nicht zu einem Prozess kommt: „Das Landgericht Verden hat nach telefonischer Auskunft durch den zuständigen Richter eine Frist bis zum 15. August 2014 für eine Stellungnahme durch Herrn Edathy gesetzt. Anschließend soll über die eventuelle Zulassung der Anklage entschieden werden. Nach unserer Auffassung bildet die Anklageschrift keine tragfähige Grundlage für einen Prozess.“

Seit Februar ist Edathy abgetaucht, derzeit soll er sich an einem unbekannten Ort im Ausland aufhalten. Nun muss das Landgericht Verden darüber entscheiden, ob es die Anklage gegen den 44-Jährigen zulässt und es somit zu einer öffentlichen Hauptverhandlung kommt. Fest steht, dass Edathy in diesem Fall als Angeklagter persönlich vor Gericht erscheinen müsste. Laut Strafgesetzbuch drohten ihm dann bis zu zwei Jahre Haft.

Erstmals seit Bekanntwerden der Vorwürfe gegen ihn müsste sich der SPD-Politiker dann dem Blitzlichtgewitter der Öffentlichkeit stellen. „Die Strafe ist nicht das Hauptproblem für den Beschuldigten. Das Verfahren ist es“, sagt die Frankfurter Strafverteidigerin Eva Dannenfeldt. Wer unter Kinderporno-Verdacht steht, das weiß sie aus ihrer eigenen Arbeit, wird gesellschaftlich geächtet.

Auch Edathy ist seit Februar politisch wie gesellschaftlich isoliert – seit bekanntwurde, dass er von einem kanadischen Unternehmen Fotos und Videos mit kinderpornografischem Inhalt gekauft und auf seinem Computer gespeichert haben soll. In der SPD läuft ein Parteiordnungsverfahren gegen ihn. Sollte Edathy verurteilt werden, dürfet er seine Parteimitgliedschaft verlieren. In seiner Heimat Niedersachsen wird der Kreis derer, die zu ihm halten, ohnehin seit Monaten kleiner.

Edathy selbst hat sich zu den Vorwürfen nur einmal geäußert. Dem Magazin „Spiegel“ erklärt er vor Wochen: „Ich bin nicht pädophil.“ Für seinen Hinweis auf die lange Tradition männlicher Aktdarstellungen auch von Kindern und Jugendlichen in der Kunstgeschichte erntete er nicht nur in den sozialen Netzwerken umgehend harsche Kritik.

Die Ermittler der Staatsanwaltschaft Hannover dürfte diese Aussage bei ihrer Arbeit kaum interessiert haben. Für sie steht nach der Sichtung der Sicherungskopien von Edathys Bundestags-Computer etwas anderes fest: Die kanadischen Bilder, 31 Videos und Fotosets mit unbekleideten Kindern im Alter zwischen 9 und 14 Jahren, waren rückblickend gesehen durchaus ausreichend als Anlass, um weiter gegen Edathy zu ermitteln.

Edathy gibt sich via Facebook kämpferisch


Denn die jetzt formulierte Anklage basiert auf dem, was erst danach bei den Ermittlungen entdeckt wurde: Von dem Laptop, den Edathy im Februar als gestohlen gemeldet hat, sollen im Internet Seiten aufgerufen worden sein, die weder etwas mit Kunst zu tun haben noch anderweitig zu erklären sind. Stattdessen, so heißt es, verweisen die Links auf eindeutig strafbare Kinderpornos.

Edathy kommentiert die Anklage auf seiner Facebook-Seite zunächst nicht. Dabei präsentiert sich der 44-Jährige in dem sozialen Netzwerk bis einen Tag zuvor überaus mitteilsam. Immer wieder postet er kurze Stellungnahmen, die neben mehrdeutigen Einblicken in seine Gefühle oft auch massive Medienkritik enthalten: „Was mich am meisten kränkt, ist das Ausmaß an Mittelmäßig- und Durchschnittlichkeit, mit dem ich seit Monaten konfrontiert werde“, schreibt er Anfang Juli. 111 Personen gefällt das.

Anfang dieser Woche legt er nach: „Finde nicht mehr Gefallen am Fallen anderer als am eigenen Gehen – oder prüfe Deinen Weg“, heißt es am Dienstag. Und am Mittwoch reimt er in einem Gedicht: „Das Beste an nem Urteil sei, so sagt man, es macht ziemlich frei.“ Das gefällt aber nur noch 71 Personen. Zumindest aus der Ferne gibt sich der 44-Jährige bei Facebook weiterhin kämpferisch: „Drei Fehler, die man bei mir nicht machen sollte: 1) Unterschätzen. 2) Unterschätzen. 3) Unterschätzen.“