Erstmals seit März kam Russland Bundeskanzlerin Merkel wieder mit dem russischen Präsidenten Putin zusammen. Putin traf auch erstmals den ukrainische Staatschef Poroschenko. Beide riefen zu einem Ende der Gewalt auf.

Colleville-sur-Mer. Frankreichs Präsident François Hollande und US-Präsident Barack Obama gedachten am Freitag auf einem US-Soldatenfriedhof der mehr als 4400 alliierten Soldaten, die am D-Day ums Leben kamen. Obama sagte, die Welt könne „für immer dankbar“ sein. Der 6. Juni 1944 war Beginn der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus.

Überschattet werden die Feiern vom Konflikt um die Ukraine. Erstmals seit der Annexion der Krim durch Russland im März kam Bundeskanzlerin Angela Merkel wieder mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zusammen. Beide nehmen am Nachmittag an der zentralen Gedenkzeremonie teil. Vom Gipfeltreffen der großen Industrienationen diese Woche in Brüssel war der Kremlchef noch ausgeladen worden.

„Die Welt verändert“


Frankreichs Präsident Hollande mahnte auf dem Friedhof von Colleville-sur-Mer, die Landung bleibe eine Verpflichtung, sich auch heute für die Freiheit einzusetzen. Der D-Day habe „die Welt verändert“.

Obama verneigte sich vor mehreren hundert Veteranen, die damals dabei waren: „Gentlemen, Ihre Anwesenheit hier erfüllt uns wahrlich mit Demut.“ Am 6. Juni 1944 seien Demokratie und Freiheit verteidigt worden. „Dieser Anspruch steht auf diesem Strand in Blut geschrieben.“ Viele Zuschauer erhoben sich daraufhin zum Applaus.

An der zentralen Gedenkfeier in Ouistreham wollen Staats- und Regierungschefs aus etwa 20 Ländern teilnehmen. Mit Spannung wird vor allem erwartet, wie Obama und Putin miteinander umgehen.

Als Gast ist auch der künftige ukrainische Staatschef Petro Poroschenko dabei. Der Sieger der Präsidentenwahl von Ende Mai soll an diesem Sonnabend vereidigt werden.

Putin trifft Merkel, Obama und Poroschenko


Zuvor bereits trafen sich Merkel und Putin für etwa eine Stunde im Strandbad Deauville. Nach vielen Telefonaten wegen der Ukraine-Krise in den vergangenen Wochen war dies wieder der erste direkte Kontakt.

Zur Begrüßung gaben sich beide kurz die Hand. Die Atmosphäre wirkte kühl. Merkel und Putin saßen vor den Flaggen beider Länder an einem Tisch relativ weit voneinander entfernt.

Nach Angaben der Bundesregierung forderte Merkel den russischen Präsidenten auf, für eine Stabilisierung der Ukraine alles in seiner Macht stehende zu tun. Nach der international anerkannten Präsidentenwahl in der Ukraine müsse jetzt die Zeit genutzt werden, „um eine Stabilisierung der Lage insbesondere in der Ostukraine zu erreichen“. Russland müsse dabei seiner großen Verantwortung gerecht werden.

Nach russischer Darstellung sollte bei dem Gespräch ein Plan auf dem Tisch liegen, um die schwerste Sicherheitskrise in Europa nach Ende des Kalten Krieges zu entschärfen. Merkel hatte zuvor schon mehrfach deutlich macht, dass der Westen notfalls zu weiteren Sanktionen gegen Russland bereit ist. Am Vorabend hatte Putin in Paris bereits Hollande und den britischen Premier David Cameron getroffen.

Im Anschluss traf sich Putin auch mit Obama zu einem „informellen Gespräch“. Russlands Präsident ist auch erstmals mit dem designierten ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko zusammengetroffen. Die beiden unterhielten sich vor einem Mittagessen der geladenen Staats- und Regierungschefs im Schloss von Bénouville, wie aus dem Umfeld von Hollande verlautete. Putin und Poroschenko hätten sich die Hände gegeben und sich „vollkommen normal unterhalten“. Beide haben sich für ein rasches Ende des Blutvergießens in der Ukraine ausgesprochen.

„Im Zuge eines kurzen Gesprächs haben sich Putin und Poroschenko für ein Ende des Blutvergießens im Südosten der Ukraine und auch für ein Ende der Kampfhandlungen auf beiden Seiten ausgesprochen“, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow am Freitag der Agentur Interfax zufolge.

Den Angaben zufolge waren auch Hollande und Merkel bei dem Treffen dabei. Poroschenko war vor knapp zwei Wochen zum neuen ukrainischen Präsidenten gewählt worden, am Sonnabend wird er vereidigt.

Bemühen um diplomatische Lösung


Die Bemühungen um eine diplomatische Lösung der Krise sollen auch nächste Woche weitergehen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier reist deshalb am Dienstag zu einem Treffen mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow nach St. Petersburg. An der Begegnung nimmt auch Polens Außenminister Radoslaw Sikorski teil.

Nach einer Umfrage sind 89 Prozent der Deutschen der Meinung, dass die westlichen Staaten weiterhin im Gespräch mit Russland bleiben sollen. Nur 9 Prozent äußerten im ARD-„DeutschlandTrend“ die Überzeugung, dass man Russland so weit wie möglich isolieren sollte.

Merkel schrieb in einem Beitrag für die französische Zeitung „Ouest France“: „Frieden und Freiheit können schnell infrage gestellt werden. Der Konflikt in der Ukraine zeigt uns das. Die Sorge ist groß zu sehen, dass neue Gräben und Trennlinien entstehen.“

Die Anwesenheit eines hochrangigen deutschen Vertreters bei den D-Day-Feierlichkeiten war lange Zeit tabu. Als erster Bundeskanzler war 2004 der damalige SPD-Regierungschef Gerhard Schröder zu den Feiern in der Normandie.

In den USA ist die Freiheitsstatue im Hafen von New York mit einer Million Rosenblättern überschüttet worden. Aus mehreren Hubschraubern regneten die roten Blütenblätter am Freitag auf die berühmte Statue herab. Hunderte Zuschauer verfolgten das Ereignis von der Südspitze Manhattans aus und von der Insel, auf der die Freiheitsstatue steht. Gleichzeitig bliesen Boote große Wasserfontänen in den Farben der französischen Fahne – blau, weiß, rot – in die Luft.

„Operation Overlord“ - Zahlen und Fakten


Die Landung in der Normandie am 6. Juni 1944 war der Auftakt zur Befreiung Frankreichs und Westeuropas von der Nazi-Herrschaft („Operation Overlord“). Zahlen und Fakten:

Die Invasoren: Die größte Armada der Kriegsgeschichte bestand aus 3100 Landungsbooten mit etwa 150 000 Soldaten und schweren Waffen unter dem Schutz von 1200 Kriegsschiffen und 7500 Flugzeugen. Zur Streitmacht der Alliierten am sogenannten D-Day gehörten vor allem US-Amerikaner, Briten, Kanadier, Polen und Franzosen.

Die Verteidiger: Die Deutschen hatten im betroffenen Küstenabschnitt nur etwa 50 000 Infanteristen und wenige Flugzeuge zur Verfügung. Weiter nördlich, wo das Landungsunternehmen irrtümlich erwartet wurde, war der Großteil der Divisionen des Westheeres stationiert.

Der Atlantikwall: Die von Norwegen bis Südfrankreich über 2600 Kilometer reichende Kette von Festungen, Bunkern, Geschützstellungen, Strandbarrikaden und Minen sollte eine Invasion abwehren. Im D-Day-Bereich waren die Strände nur lückenhaft gesichert. Der Küstenabschnitt bei Calais, wo die Landung erwartet wurde, war weitaus besser ausgebaut.

Die Kampfgebiete: Die Alliierten gingen in den Morgenstunden an fünf Küstenabschnitten mit den Decknamen Utah, Omaha, Gold, Juno und Sword östlich von Cherbourg an Land. Erst nach sechs Tagen gelang es Hitlers Gegnern, die Brückenköpfe zu einer Front von etwa 100 Kilometern Länge zu verbinden.

Die Opfer: Am Abend des D-Day registrierten die Alliierten Verluste von rund 12.000 Mann, darunter etwa 4400 Tote. Die Zahl der deutschen Verwundeten, Vermissten und Gefallenen wird auf 4000 bis 9000 Mann geschätzt. Im weiteren Verlauf der „Operation Overlord“ sollen bis zur Eroberung von Paris im August 200.000 Deutsche und 70.000 Verbündete ums Leben gekommen sein. In der verwüsteten Normandie starben bis zu 20 000 Zivilisten.