Der Unternehmer Poroschenko gewinnt laut Prognosen die Präsidentenwahl in der Ukraine. Der Milliardär steht vor gewaltigen Aufgaben. Vitali Klitschko soll die Bürgermeisterwahl in Kiew gewonnen haben. Erneut starben Menschen bei Gefechten.

Kiew/Donezk. Die ukrainische Präsidentschaftskandidatin Julia Timoschenko hat ihre Niederlage bei der Abstimmung eingeräumt. „Ich möchte vor allem den Ukrainern danken dafür, dass die Wahlen trotz der russischen Aggression zustande gekommen sind“, sagte die frühere Regierungschefin am Sonntag in Kiew. Sie zeigte sich dabei sichtlich enttäuscht über ihr Abschneiden. „Wir müssen jetzt nicht mehr zwischen EU und (russischer) Zollunion wählen“, sagte sie. Die Entscheidung sei klar für einen EU-Kurs des Landes gefallen.

Der prowestliche Milliardär Pjotr Poroschenko hat laut Prognosen die von Gewalt überschattete Präsidentenwahl gewonnen. Bei Auseinandersetzungen in den russisch geprägten Gebieten im Osten kamen auch am Wahltag mehrere Menschen ums Leben. Der frühere Wirtschafts- und Außenminister Poroschenko lag in mehreren Wählerbefragungen bei über 55 Prozent der Stimmen.

In seiner Siegesrede kündigte Poroschenko einen klaren Westkurs der früheren Sowjetrepublik an. Unter dem Schutz bewaffneter Polizisten gaben Millionen Ukrainer mitten in der schwersten Krise des Landes ihre Stimme ab. In den von Aufständischen kontrollierten Regionen im Osten öffnete nur ein Teil der Wahllokale. Örtliche Medien berichteten von vereinzelten Übergriffen moskautreuer Kräfte auf Wahlstellen. Bei Auseinandersetzungen kamen mehrere Soldaten sowie ein italienischer Fotograf ums Leben. Viele Einwohner der Gebiete Donezk und Lugansk trauten sich nicht zur Wahl oder fanden keine Möglichkeit zur Stimmabgabe vor.

Der ukrainische Ex-Boxprofi Vitali Klitschko hat die Bürgermeisterwahl in Kiew am Sonntag laut Prognose gewonnen. Der mehrfache Weltmeister habe 57,4 Prozent der Stimmen erhalten, wie eine Nachwahlbefragung im Auftrag des Staatsfernsehens ergab. Der 42-Jährige hatte 2006 und 2008 jeweils die Abstimmung verloren. Seine Partei Udar (Schlag) wurde nach eigenen Angaben zudem mit rund 40 Prozent stärkste Fraktion im Kiewer Stadtrat. Zuvor hatte bereits der vermeintliche Sieger der Präsidentenwahl, Pjotr Poroschenko, seinem Verbündeten Klitschko zum Sieg gratuliert.

Das Bürgermeisteramt hat allerdings derzeit vor allem repräsentative Funktion. Die wichtigen Entscheidungen trifft der Vorsitzende der Stadtverwaltung, der direkt vom Präsidenten ernannt wird. Beobachter schließen aber nicht aus, dass Poroschenko seinem Vertrauten Klitschko wieder mehr Vollmachten geben wird. Der Ex-Boxweltmeister hatte zugunsten des Schokoladenfabrikanten auf seine Kandidatur bei der Präsidentenwahl verzichtet. Auf dem zweiten Platz in der ukrainischen Hauptstadt landete mit rund zehn Prozent die Parlamentsabgeordnete Lessja Orobez.

Poroschenko kündigte an, für Stabilität zu sorgen. „Die Bewaffneten müssen von den Straßen der Städte und Dörfer verschwinden“, sagte der Oligarch und Süßwaren-Produzent in Kiew. Poroschenko tritt trotz aller Ressentiments für einen Dialog mit dem großen Nachbarn Russland ein. Allerdings hat er immer wieder deutlich gemacht, dass der Staat gegenüber den bewaffneten, prorussischen Separatisten keine Schwäche zeigen dürfe.

In den Umfragen lag die Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko mit deutlichem Abstand auf Platz zwei. Die Ukraine ist seit der Amtsenthebung und Flucht von Präsident Viktor Janukowitsch ins russische Exil Mitte Februar ohne gewählten Staatschef. Die Regierung in Kiew, die EU und die USA hoffen, dass die Abstimmung die Lage in der Ukraine stabilisiert. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am Sonnabend im Gespräch mit Vertretern internationaler Medien bekräftigt, Moskau werde das Votum respektieren, sprach aber nicht ausdrücklich von einer „Anerkennung“.

Die Regierung in Kiew hatte die Rekordzahl von etwa 3000 internationalen Wahlbeobachtern aus rund 20 Ländern eingeladen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kündigte an, mit etwa 1000 Experten im Einsatz sein, darunter nach Angaben von Außenminister Frank-Walter Steinmeier rund 100 Deutsche. Insgesamt waren etwa 35 Millionen Menschen wahlberechtigt. Mit eingerechnet sind auch die Einwohner der Schwarzmeerhalbinsel Krim, die Russland gegen internationalen Protest annektiert hatte. In den von Separatisten teilweise kontrollierten östlichen Gebieten leben etwa 6,5 Millionen Menschen.

Bei der Wahl in der zweitgrößten Stadt Charkow im Nordosten gab es im Tagesverlauf keine Zwischenfälle. Dagegen öffnete in den Gebieten Donezk und Lugansk nur ein geringer Teil der Wahllokale. Die Gebietshauptstadt Lugansk ist vollständig unter Kontrolle prorussischer Separatisten. In zwei Städten wurden zudem die Bürgermeisterwahlen abgesagt. In der Region halten moskautreue Kräfte zahlreiche Verwaltungsgebäude besetzt. Die Separatisten haben sich nach umstrittenen Referenden von Kiew losgesagt.