Wollte der Angeklagte André E. nur provozieren – oder war der Aufdruck sogar eine Straftat? Gutachter klären die letzten Lebensminuten von Mundlos und Böhnhardt.

München. Die mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt waren sofort tot. Beide hatten jeweils eine Schussverletzung einer großkalibrigen Waffe am Kopf. Das Gehirn sei regelrecht explodiert, beschreibt Reinhardt Heiderstädt, Rechtsmediziner der Universität Jena die Wirkung des Projektils. Die Folge davon war unter anderem der sofortige Atemstillstand.

Nach Angaben des Gutachters der an diesem Mittwoch im NSU-Prozess ausgesagt hat, wurden in den Lungen beider Toter keine Rußpartikel gefunden. Auch die toxikologische Analyse ergab offenbar keine Auffälligkeiten. Beide Männer hätten einen durchtrainierten Eindruck gemacht.

Auf Nachfrage eines Nebenklageanwaltes verweis der Gutachter darauf, bereits mehrfach Brandleichen obduziert zu haben. Das Fehlen der Rußpartikel deutet darauf hin, dass die beiden Männer vor dem Ausbruch des Feuers in ihrem Wohnmobil bereits tot waren.

Die beiden Leichen seien am 5. November 2011, am Morgen nach dem Entdecken der Männer in einem Wohnmobil in Eisenach-Stragda, in das Rechtsmedizinische Institut der Universität Jena zur Untersuchung gebracht worden. Der Gutachter verweist darauf, dass die Kleidung beider Toter Brandspuren aufgewiesen habe. Auch an den Körpern selber hatten die Rechtmediziner Brandspuren dokumentiert.

Unmittelbar nach dem Tod von Mundlos und Böhnhardt soll ihr Wohnmobil in Flammen aufgegangen sein. Die beiden Leichen konnten erst geborgen werden, nachdem die Feuerwehr das Fahrzeug gelöscht hatte.

Keine Angaben machte Heiderstädt dazu, ob die Männer sich selber umgebracht haben könnten. Er verwies lediglich darauf, dass während der Obduktion die jeweiligen Armlängen gemessen wurden, damit die Ermittler prüfen konnten, ob es mit den vorgefundenen Waffen möglich gewesen wäre.

Zuerst wurde Uwe Böhnhardt untersucht. Der Name des Toten sei damals aber nicht bekannt gewesen, so der Gutachter. Daher seien sowohl Zahnabdrücke wie auch DNA-Material für eine Identifizierung genommen worden. Zudem habe die Tatortgruppe des Landeskriminalamtes (LKA) aus Erfurt dessen Tattoos fotografiert und die Kleidung beider Toter für weitere Untersuchungen sichergestellt.

Bei Beginn der Untersuchung der Leiche von Mundlos sei dessen Identität bereits bekannt gewesen, so der Gutachter. Die Polizei habe entsprechende Angaben gemacht.

Der Rechtsmediziner konnte auch nicht sagen, ob einer der beiden Toten Schmauchspuren an den Händen hatte. Das habe die Tatortgruppe überprüft. Schmauchspuren wären ein deutlicher Hinweis auf die Abgabe von Schüssen gewesen und vielleicht ein Hinweis auf die Selbstmordtheorie gewesen.

Laut Anklage soll Mundlos nach dem Entdecken des Wohnmobils am 4. November 2011 durch die Polizei zuerst seinen Kumpel Böhnhardt und danach sich selber mit einem Repetiergewehr erschossen haben.

Um zu klären, was mit dem Wohnmobil nach dem Eintreffen der Polizei passierte, befragte das Gericht auch die beiden Beamten, die zuerst am Parkplatz des Fahrzeugs in einer Siedlung am Stadtrand von Eisenach eingetroffen sind. Ein 51-jähriger Polizeibeamter konnte sich allerdings nur noch vage an die damaligen Ereignisse erinnern. Sein Kollege gab etwas detaillierter Auskunft.

Nach ihrer Darstellung vor Gericht sollen erst ein und gleich darauf noch ein zweiter Schuss gefallen sein, als sie sich zu Fuß dem Wohnmobil genähert hatten. Als die beiden Beamten in Deckung gegangen waren sei ein dritter Schuss gefallen und kurz darauf das Feuer in dem Wohnmobil ausgebrochen. Etwa zehn Minuten später waren Feuerwehr und Kriminalpolizei fast gleichzeitig eingetroffen.

Trotz intensiven Nachhakens der Verteidigung von Beate Zschäpe konnte sich der erste der beiden Polizist kaum an Details des Feuerwehreinsatzes erinnern. Die Zschäpe-Verteidiger bezweifelten diese Wissenslücken. Auch der zweite Beamte gab an, davon kaum etwas mitbekommen zu haben. Allerdings hatte Rechtsanwältin Nicole Schneiders in den Akten ein Foto gefunden, auf dem dieser Beamte unmittelbar neben dem Wohnmobil zu sehen ist. Im Hintergrund befinden sich Feuerwehrleute bei den Löscharbeiten.

Auf Nachfrage der Bundesanwaltschaft erklärte der erste Beamte, nicht beobachtet zu haben, dass sich dem Wohnmobil eine Person genähert habe und dann weggelaufen sei. Zweifler an der Selbstmordtheorie gehen davon aus, dass es einen dritten bisher unbekannten Beteiligten gegeben haben müsse, der Mundlos und Böhnhardt getötet haben könnte.

Kurz vor Mittag sorge im Gerichtssaal die Kleidung des Angeklagten André E. für einen kurzen Eklat. Auf seinem Kapuzenshirt war eine vermummte Gestalt zu erkennen, die zwei Schusswaffen in die Höhe reckt. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm unter anderem Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor, aber auch Beihilfe zum versuchten Mord sowie zum Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion.

Nebenklageanwalt Alexander Hoffmann war die Darstellung aufgefallen und er beantragte, das Kapuzenshirt zu beschlagnahmen. Anfangs weigerte sich André E. den Prozessbeteiligten den Aufdruck zu zeigen. Aus Sicht von Hoffmann zeige die Abbildung die Haltung des Angeklagten, der bisher im Prozess geschwiegen habe. Er kritisierte, dass den Verteidigern von André E. die Abbildung nicht aufgefallen sei.

Bundesanwalt Herbert Diemer sah keinen Grund, das Kleidungsstück zu beschlagnahmen. Es sei ein „ungebührlicher Auftritt, der provoziere“. Ein Beschlagnahmen forderte auch der Hamburger Nebenklageanwalt Thomas Bliwier. Es könne auf die Schnelle nicht festgestellt werden, ob der Aufdruck nicht sogar eine Straftat darstelle, erklärte er. Dagegen sprach sich der Verteidiger von Ralf Wohlleben, Olaf Klemke, aus. Er hielt es für „abwegig“ in dem Kapuzenshirt eine Straftat zu sehen.

Nach längerer Beratung entschloss sich das Gericht, das Kleidungsstück samt Aufdruck fotografieren zu lassen. André E. durfte das Shirt anbehalten.

Von diesem Angeklagten ist unter anderem bekannt, dass auf seinem Bauch ein antisemitischer Spruch in englischer Sprache eintätowiert sein soll. Dieser war bei einer erkennungsdienstlichen Behandlung durch die Polizei fotografiert und das Bild auch den Gerichtsakten beigefügt worden.