Die seit einer Woche in der Ostukraine festgesetzten sieben OSZE-Beobachter sind wieder frei. In Odessa kamen bei Straßenschlachten mindestens 42 Menschen ums Leben.

Donezk/Odessa/Kiew/Moskau. Die Ukraine geht immer massiver gegen die prorussischen Separatisten im Osten vor. Am Sonnabend meldete die Regierung in Kiew schwere Gefechte in der Stadt Kramatorsk, südlich der umkämpften Separatistenhochburg Slawjansk. Dort ließen die prorussischen Kräfte die vor mehr als einer Woche festgenommene OSZE-Beobachtergruppe frei, zu der auch vier Deutsche gehören. „Was wir in der Region Donezk und in den östlichen Regionen sehen, ist kein kurzlebiger Aufstand. Es handelt sich um einen Krieg“, sagte der Leiter des ukrainischen Anti-Terror-Zentrums, Wasil Krutow. Die Unruhen sprangen auch auf Odessa am Schwarzen Meer über. Dort starben bei Krawallen zwischen Gegnern und Anhängern der Übergangsregierung Dutzende Menschen. Angesichts der Kämpfe hält Russlands Präsident Wladimir Putin die für den 25. Mai geplante Präsidentenwahl in der Ukraine für undurchführbar. US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel pochen jedoch auf diesen Termin.

Im bislang von Kämpfen verschonten Odessa starben am Freitag mindestens 42 Menschen bei Straßenschlachten und beim Brand eines Gewerkschaftsgebäudes. Dorthin hatten sich prorussische Demonstranten zurückgezogen. Am Samstag legten Passanten Blumen vor dem ausgebrannten Gebäude nieder. In den Krankenhäusern bildeten sich Schlangen von Menschen, die Blut spenden wollten.

Gegenseitige Vorwürfe wegen Krawallen in Odessa

Die russische Regierung machte die Regierung in Kiew und ihre westlichen Unterstützer für den gravierendsten Zwischenfall seit dem Sturz des von Russland unterstützten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch verantwortlich. Die Regierung in Kiew vermutete dagegen Gruppen aus Russland und prorussische Separatisten aus der Nachbarregion Transnistrien hinter den Ausschreitungen. Vertraute Janukowitschs hätten Saboteure bezahlt, erklärte der ukrainische Geheimdienst SBU.

Im Osten des Landes, in Kramatorsk, brachten ukrainische Truppen einen Fernsehturm und das Hauptquartier des Geheimdienstes unter ihre Kontrolle. Russische Medienberichteten über nächtliche Kämpfe in der Umgebung der Stadt. Demnach sollen Krankenhäuser einen Toten und neun Verletzte registriert haben. Nach Angaben der Separatisten wurden drei ihrer Kämpfer und zwei Zivilisten getötet.

Seit der Morgendämmerung seien die Vorstöße gegen die Separatisten fortgesetzt worden, teilte Innenminister Arsen Awakow auf seiner Facebook-Seite mit. Auch in Slawjansk seien die Kämpfe wieder aufgenommen worden. „Wir werden nicht nachlassen“, erklärte er. In Slawjansk hatten Separatisten am Vortag zwei Kampfhubschrauber abgeschossen. Ukrainische Kräfte besetzten Vororte, aber die Separatisten behielten die Kontrolle über die größten Teile der 130.000 Einwohner zählenden Stadt.

Separatisten lassen OSZE-Beobachtergruppe frei

Dort ließen die Rebellen die Inspektorengruppe der OSZE frei. „Wie ich es ihnen versprochen hatte, haben wir gestern meinen Geburtstag gefeiert und sie laufen lassen“, sagte der Separatistenführer, der selbst ernannte Bürgermeister Wjatscheslaw Ponomarjow. Bedingungen seinen keine gestellt worden. „Wir sind froh, dass wir endlich draußen sind, uns geht es den Umständen entsprechend ok“, sagte der deutsche Oberst Axel Schneider, der das OSZE-Team leitet, der „Bild“-Zeitung.„Wir haben die Feuergefechte der letzten Tage direkt mitbekommen, das möchte ich keinem zumuten.“

Ponomarjow sagte, der von Moskau entsandte UnterhändlerWladimir Lukin habe eine wichtige Rolle bei der Befreiung derGeiseln gespielt. Der Westen wirft Russland seit Wochen vor,seinen Einfluss auf prorussische Militante nicht geltend zumachen. Am Freitag hatten Merkel und Obama in Washingtonerklärt, ein erster Schritt zur Entspannung der Lage müsse dieFreilassung der OSZE-Beobachter und ihrer ukrainischenMitarbeiter sein.

Die beiden Regierungschefs forderten auch Russland auf, sich für die Präsidenten-Wahl in der Ukraine am 25. Mai einzusetzen. Sollte Russland die Wahlen unterlaufen, werde das Sanktionennach sich ziehen. Der Westen wertet die Wahl als Schritt zu einer legitimen Regierung, was zur Befriedung der Lage beitragenwerde. Dagegen erklärte der Sprecher des russischen Präsidialamtes, Dimitri Peskow, Wahlen unter den jetzigenUmständen seien absurd.

In Donezk, dem industriellen Zentrum im Osten des Landeshaben Separatisten ein Referendum für den 11. Mai über eine Abtrennung ihrer Region von der Ukraine angekündigt. Auch der Abspaltung der Halbinsel Krim ging ein Referendum voraus. Russland rechtfertigt seine Interventionen damit, die vielfach russisch-stämmige Bevölkerung in den östlichen Landesteilen schützen zu wollen.