Das Euro-Sorgenkind Griechenland kehrt an den Kapitalmarkt zurück. Die Kanzlerin will den Hellenen mit ihrem Besuch weiter Mut machen – nicht zuletzt, weil Wahlen anstehen.

Athen/Berlin. Wie brisant die Lage immer noch ist, dürfte Angela Merkel spätestens auf dem Weg vom Athener Flughafen ins Stadtzentrum klar geworden sein. An den Straßen patrouillieren Polizeieinheiten in olivgrünem Kampfanzug mit Schutzhelm, Schlagstock und Plastikschild. Ein Riesenaufgebot der Polizei schützt den Weg der Kanzlerin zum Treffen mit dem griechischen Ministerpräsidenten Antonis Samaras, selbst die Gegenfahrbahnen der Straßen sind gesperrt.

Auch der Blick entlang der Autobahn lässt keine Illusionen über die nach wie vor marode Wirtschaftslage des größten Euro-Krisenlandes zu. Überall sind überdimensionale Werbeflächen zu sehen – alle verrottet, kein Unternehmen macht dort auf sich aufmerksam.

Für Merkel ist ihre Reise an diesem Freitag ein Zeichen der Solidarität. Als sie im Oktober 2012 zuletzt in Griechenland war – damals mitten in der Schuldenkrise – schlug ihr teils blanker Hass entgegen. Es gab Demonstrationen mit 30.000 Teilnehmern, die Menschen machten sie persönlich für die schwierige Lage verantwortlich. Selbst Hitler-Vergleiche konnten sich manche nicht verkneifen.

Doch die Kanzlerin zeigt sich nicht nachtragend. Schließlich lieben auch nicht alle Deutschen ihre Politik. Und wenn es der Sache dient – da kann die nüchterne Ostdeutsche einstecken.

Eine Parallele zu ihrer ostdeutschen Herkunft zieht die Kanzlerin auch beim Treffen mit jungen, innovativen Start-up-Unternehmen. Aus ihrer Sicht sind die Firmen ein wesentlicher Baustein für die Zukunft des krisengeschüttelten Landes. Auch nach der deutschen Wiedervereinigung hätten viele Menschen ihre Arbeit verloren, viele sich in neuen Situationen zurechtfinden müssen, sagt Merkel. Später dann hätten sie erkannt: „Die Chancen und die Möglichkeiten überwiegen. Und ich bin ganz sicher, das wird auch in Griechenland so sein, trotz der schweren Wegstrecke.“

Reale Chance für Griechen

Nicht als Lehrerin, die ihrem konservativen Parteifreund Samaras Noten erteilt, will Merkel in Athen gesehen werden. Tatsächlich sei die griechische Regierung schon ordentlich vorangekommen auf dem Reformweg, glaubt man im Kanzleramt. Beispiel Lohnstückkosten: Die haben sich so entwickelt, dass es eine reale Chance für die Griechen gebe, wettbewerbsfähig zu werden. Landwirtschaft und Tourismus sieht die Bundesregierung als Fundament der Entwicklung, hier gibt es eine gute Ausgangslage. 2013 war das seit langem beste Jahr für die griechische Tourismusbranche.

Als Katastrophe empfindet die Kanzlerin die hohe Arbeitslosigkeit. Ihr Rezept: Geduld. Zuerst muss das Vertrauen zurückkehren, dann das Wachstum kommen – so werde auch die Beschäftigungslage besser, wenn auch nicht von heute auf morgen, hoffen die Deutschen.

Vieles ist in Griechenland teurer geworden – und das bei der hohen Arbeitslosigkeit. Immer noch gibt es zu wenig Wettbewerb, der Regierungsapparat ist zu behäbig, zu langsam. Die Griechen brauchen Wettbewerb, Zugang, mehr Offenheit, meint die Kanzlerin. Und die vermaledeite Kreditklemme soll endlich gelöst werden – einen Hebel dazu sehen die Deutschen in einer gemeinsamen Förderbank für die Wirtschaft. Einen ersten Baustein dazu hat die Kanzlerin im Gepäck: Berlin stellt 100 Millionen Euro als Globaldarlehen zur Verfügung.

Aus Sicht griechischer Analysten profitieren aber nicht nur die Griechen von der Visite. Vor der Europawahl am 25. Mai wollten Merkel und Samaras zeigen: Die Anstrengungen und unpopulären Sparmaßnahmen der vergangenen vier Jahre haben sich gelohnt.

Für die Griechen zeichnet sich ein Hoffnungsschimmer ab – sie konnten am Vortag erstmals seit 2010 wieder Staatsanleihen platzieren und rund drei Milliarden Euro von den Märkten für eine fünfjährige Laufzeit für 4,75 Prozent Zinsen bekommen. Samaras braucht Merkels Unterstützung dringend, die Stimmung in der Bevölkerung ist desolat. 27 Prozent der Griechen sind arbeitslos. Ihnen bringt der erfolgreiche Marktgang nur wenig.

„Ich habe keine Arbeit. Meine zwei Kinder auch nicht. Wir leben vom Lohn meiner Frau. Das sind 780 Euro“, sagte Stelios Sarantis, ein arbeitsloser Maurer. Gegen Merkel demonstrieren will Sarantis aber nicht.