Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat eine Entscheidung über die umstrittene Patentierbarkeit menschlicher embryonaler Stammzellen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) verwiesen.

Karlsruhe. Diesen Beschluss fasste der BGH nach einer ganztägigen Verhandlung am Donnerstag. Bereits zum Auftakt der mündlichen Verhandlung hatten die Richter signalisiert, dass sie den Fall nicht abschließend selbst entscheiden können. Nach Ansicht des Vorsitzenden Richters Peter Meier-Beck verstößt der Stammzellforscher Oliver Brüstle aber nicht gegen die in Deutschland geltenden Gesetze. (AZ: Xa ZR 58/07) In dem Rechtsstreit um ein 1999 genehmigtes Patent, das dem Bonner Stammzellforscher Brüstle die wirtschaftliche Nutzung von Zellen aus geklonten menschlichen Embryonen erlaubt hatte, müsse erstmal der Begriff „menschliche Embryonen“ eindeutig definiert werden, argumentierten die Karlsruher Richter. Es sei vor allem zu entscheiden, ob auch die aus einem bestimmten Entwicklungsstadium der befruchteten Eizelle gewonnene Stammzelle als Embryo anzusehen sei, obwohl sie als solche nicht mehr die Fähigkeit besitzen, sich zu einem menschlichen Individuum fortzuentwickeln.

Außerdem werde es darauf ankommen, ob jede gewerbsmäßige Verwendung im Sinne des Patentgesetzes eine „Verwendung zu industriellen oder kommerziellen Zwecken“ sei. Deshalb wurde das Berufungsverfahren ausgesetzt und an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zur Vorabentscheidung verwiesen. Erst nach dieser Vorabentscheidung in Luxemburg, die erfahrungsgemäß ein Jahr lang dauern kann, will der BGH sein Endurteil über das Patent treffen.

In dem Rechtsstreit ging es um ein Patent, das dem Bonner Stammzellforscher Oliver Brüstle die wirtschaftliche Nutzung von Zellen aus geklonten menschlichen Embryonen erlaubt hatte. Der Stammzellforscher hatte Berufung eingelegt gegen ein Urteil des Bundespatentgerichts in München im Jahr 2006, das sein Patent mit Verweis auf das Embryonenschutzgesetz stark eingeschränkt hatte. Nach Ansicht von Richter Meier-Beck sind embryonale Stammzellen aber keine Embryonen im Sinne des Gesetzes. Außerdem lasse das Stammzellgesetz gewisse Formen dieser Forschung zu.

Das Münchner Gericht hatte damals festgestellt, das Patent sei teilweise nichtig, soweit es Zellen und deren Herstellung umfasse, die aus Stammzellen menschlicher Embryonen gewonnen werden. Ein Patentierungsverbot gelte, wenn menschliche Embryonen vernichtet würden. Das Verbot gelte auch für aus dem Ausland eingeführte Stammzellen, an denen eine Forschung laut Stammzellgesetz erlaubt sei. Auf europäischer Ebene wurde dem 46-jährigen Brüstle das Patent für diese Forschungen 2006 erteilt.

Ethische Richtlinien müssten im deutschen Patentgesetz stärker betont werden, fordert dagegen die Umweltschutzorganisation Greenpeace, die vor drei Jahren gegen Brüstle und die Kommerzialisierung menschlicher embryonaler Stammzellen geklagt hatte. Dabei gehe es ihr nicht nur um den Wert einer Erfindung, sondern darum, welche sozio-ökonomischen Auswirkungen sie habe, betonte Greenpeace-Gentechnikexperte Christoph Then.

Zwar nutzt Brüstle für seine Forschung nur jene Zelllinien, die ordnungsgemäß nach den Regeln des Stammzellgesetzes hergestellt worden sind. Aus Sicht des Bundespatentgerichts geht damit aber zwangsläufig die Zerstörung jener Embryonen einher, aus denen die Linien hergestellt worden sind. Das Europäische Patentamt hatte in einem ähnlichen Fall im November 2008 ebenfalls entschieden, dass Verfahren nicht patentiert werden dürfen, wenn sie zwangsläufig mit der Zerstörung von Embryonen einhergehen.

Das Stammzellgesetz aus dem Jahr 2002 verbot bis zu seiner Änderung im April 2008 grundsätzlich den Import und die Gewinnung embryonaler Stammzellen. Für das Importverbot gab es nur Ausnahmen für „hochrangige Forschungsziele“, wenn embryonale Stammzellen vor 2002 gewonnen wurden. Am 11. April 2008 beschloss der Bundestag dann die Lockerung des Stammzellgesetzes. Forscher dürfen seither auch embryonale Stammzellen aus dem Ausland einführen, die vor dem 1. Mai 2007 entstanden.