Auch wenn der Einzug in den Bundestag knapp verpasst wird, hat die eurokritische Partei Hunderttausende Stimmen von den Etablierten gewonnen. Ein Verdienst ihres Spitzenmannes Bernd Lucke.

Berlin/Hamburg. Der Chef der euro-kritischen Alternative für Deutschland, Bernd Lucke, wertet das Wahlergebnis seiner Partei unabhängig von einem Einzug in den Bundestag als großen Erfolg. „Wir haben die anderen Parteien wahrhaft das Fürchten gelehrt“, sagte Lucke am Sonntagabend.

Noch nie sei eine Partei so schnell so erfolgreich gewesen. „Wir wissen bereits jetzt, dass die Parteien gelernt haben, dass sie sich nicht alles erlauben können“, betonte der Hamburger Wirtschaftsprofessor. Seine Partei habe die Demokratie „ertüchtigt“, nachdem man in den vergangenen vier Jahren „so viel an Entartungen von Demokratie und Parlamentarismus“ erlebt habe.

Der Volkswirtschaftler Lucke ist ein durch und durch bürgerlicher Familienmensch. An diesem Sonntag begleiteten ihn Frau und vier von fünf Kindern zur Wahlurne in Winsen bei Hamburg. In Berlin am Abend dankte er mit Blumen all den Familien, die ihre Wahlkämpfer in den letzten Wochen unterstützt haben.

Ein Organisationstalent sei er nie gewesen, gab Lucke einmal zu. „Ich bin Wissenschaftler und kein Manager.“ Und doch ist er das Gesicht der Alternative für Deutschland (AfD). Und der Architekt ihres Erfolges, denn seit dem Gründungsparteitag im April hält er in der jungen Partei alle Fäden zusammen.

„Ich beschreibe mich als Christdemokraten, als in der Wolle gefärbten Christdemokraten, der sich von seiner Partei verlassen fühlt“, sagte der 51-Jährige noch vor ein paar Monaten. 33 Jahre war der Mann mit der hellen Stimme und der scharfen Argumentation CDU-Mitglied. Erst gründet Lucke 2010 eine Wissenschaftler-Vereinigung, das Plenum der Ökonomen. Die Experten rieten dringend von der Euro-Rettungspolitik ab. Seitdem ist die Kritik am Euro und den Hilfspaketen für die Krisenländer für ihn das alles in den Schatten stellende Thema.

„Wir kommen aus der Mitte der Gesellschaft“, betont er am Wahlabend. „Und wir haben die Demokratie in Deutschland reicher gemacht.“

Die AfD hat vor allem im Osten viele Stimmen eingefahren. Einer Hochrechnung des MDR zufolge kam die Alternative für Deutschland in den ostdeutschen Bundesländern auf 5,9 Prozent, im Westen dagegen nur auf 4,6 Prozent. Andersherum sah es bei der FDP aus: Sie kam im Westen auf 5,0 Prozent, im Osten dagegen nur auf 2,6 Prozent der Wählerstimmen.

Am meisten hat die AfD von der FDP Stimmen geholt. 450.000 Deutsche wechselten nach ARD-Angaben von den Liberalen zur AfD. Die zweitgrößte Gruppe unter den AfD-Wählern sind frühere Linke-Unterstützer, 360.000 entschieden sich am Sonntag für die neue Partei. Von der CDU/CSU wanderten 300.000 Wähler zur AfD. Hinzu kamen 240.000 frühere Nichtwähler.

Einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen zufolge setzten 67 Prozent der AfD-Wähler aus Frust über die etablierten Parteien ihr Kreuz bei den Eurokritikern, nur 14 Prozent entschieden sich wegen politischer Inhalte für sie.

Hamburgs AfD-Chef, Prof. Jörn Kruse, hat mit der aller Voraussicht nach aus dem Bundestag geflogenen FDP Mitleid. „Ich habe ein bisschen Mitleid mit der FDP, weil ich denke, dass die FDP nicht schuld ist an der schlechten Performance der Regierung.“ Einige Parteimitglieder seien jedoch auch „ein bisschen schadenfroh, weil wir den Versuch gemacht haben, mit denen zusammen eine eurokritische Haltung einzunehmen“.

Doch die FDP sei an dieser Stelle nicht flexibel gewesen. Gleichwohl „haben sie noch mehr Strafe abgekommen als eigentlich verdient gewesen wäre. Denn die eigentlich Schuldige ist Frau Merkel“, sagte Kruse.