Die Zahl der gewalttätigen Übergriffe auf Polizisten ist deutlich gestiegen. Zwei Drittel der Angreifer sind Männer. Viele der Tatverdächtigten sind betrunken. Probleme gibt es vor allem in Berlin.

Hamburg/Berlin Polizisten werden häufiger Opfer gewalttätiger Übergriffe. 2012 waren 60.294 Beamte betroffen, wie aus einem Lagebild des Bundeskriminalamtes (BKA) hervorgeht. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein deutlicher Anstieg um 9,9 Prozent.

Auch die Gesamtzahl der Taten hat zugenommen: Sie lag 2012 bei 32.742 Übergriffen gegen Polizisten, stieg um 5,4 Prozent. Mehr als zwei Drittel der bundesweit ermittelten Verdächtigten waren Männer. 67,6 Prozent standen unter Alkoholeinfluss. Die Zahl der Tatverdächtigen stieg gegenüber dem Vorjahr um 5,2 Prozent auf 28.580.

Zuletzt hatten vor allem Berichte über Gewaltfälle von Polizisten für Aufsehen gesorgt. In Bremen erstatteten Beamte Selbstanzeige, nachdem sie in einer Disco auf einen Mann eingeprügelt hatten. Die neuen Zahlen aus dem „Lagebild 2012: Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte“ zeigen die andere Seite. Demnach werden bei vielen Angriffen gleich mehrere Polizisten verletzt.

Die Gefahr, Opfer eines Übergriffs zu werden, ist für Polizisten in den Stadtstaaten am höchsten. In Berlin kamen 95,3 Fälle auf 100.000 Einwohner. Es folgen Bremen (75,6 Fälle), Hamburg (75,2), dann Schleswig-Holstein, Saarland, Rheinland-Pfalz und Thüringen. Bei den Kreisen und kreisfreien Städten wurden in Neumünster (102,7), Lübeck (97,4) und Trier (86,1) die meisten Übergriffe registriert. Warum?

Torsten Gronau, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Schleswig-Holstein hat eine mögliche Erklärung: „Die Polizeidichte in Schleswig-Holstein ist im Bundesvergleich sehr gering“, sagt der Polizeibeamte, der selbst seit 30 Jahren in Lübeck aktiv im Dienst ist. „Besonders häufig sind Gewalttaten gegen Polizeibeamte in sozialen Brennpunkten. In neun von zehn Fällen haben wir es mit jungen, bildungsfernen, oft angetrunkenen oder unter Drogen stehenden Männer, meistens mit Migrationshintergrund, zu tun.“ Durch die niedrige Polizeipräsenz im Norden würden sich die Täter eine Chance ausrechnen.

„Schleswig-Holstein gibt wenig Geld für seine Polizei aus“, klagt der Gewerkschafter. „Es soll sogar noch weiter gespart werden. Das ist mit der Streichung von 280 Stellen verbunden. Ich gehe davon aus, dass sich die Situation weiter zuspitzt.“ Am sichersten ist der Dienst für Polizisten in Hessen (29,7 Fälle pro 100.000 Einwohner), Brandenburg (31,9) und Sachsen (32,5).

Zuletzt hatte die Polizei im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen Alarm geschlagen. Mitte Juli kam heraus, dass es 2012 fast 6000 Übergriffe gegeben hatte. Die Zahl der Opfer war auf einen Höchstwert von über 10.000 gestiegen. Fast die Hälfte der Taten ereignete sich am Wochenende, meist in der Öffentlichkeit, selten in privaten Räumen. Immer häufiger eskaliert die Situation in Vergnügungsvierteln. Vor Kurzem beschäftigte sich der NRW-Landtag mit dem Thema.

Politiker und Polizei-Vertreter fordern einen besseren Schutz der Polizisten. Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) verlangt einen Schutzparagrafen für Polizisten im Strafgesetzbuch. Eine gesetzliche Regelung soll ein Thema der nächsten Innenministerkonferenz werden. Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verlangt einen eigenständigen Paragrafen.

„Bedrückend ist, dass die Polizei immer häufiger auch ohne Anlass angegriffen wird. Dafür fordern wir einen besonderen Straftatbestand“, sagte GdP-Chef Oliver Malchow. „Wenn der Autoritätsverlust der Polizei zunimmt, ist unsere Rechtsordnung in Gefahr.“

Die Polizeigewerkschaft fordert bis zu fünf Jahre Strafe für Gewalttäter. Ihr reicht ein Sonderparagraf für Polizisten im Strafgesetzbuch nicht aus. „Denn in zunehmendem Maße sind nicht nur Polizisten, sondern auch Lehrer, Staatsanwälte und kommunale Beschäftigte von Gewalt betroffen“, sagte Wendt.