Stabschef offiziell als Nachfolger von Geithner nominiert. Reichlich Vorschusslorbeeren für den altgedienten Haushaltsexperten.

Washington. Ein Jahr nach seinem Aufstieg zum Stabschef des Weißen Hauses steht Jacob Lew schon wieder ein Karrieresprung bevor: US-Präsident Barack Obama hat den 57-Jährigen am Donnerstag erwartungsgemäß als neuen Finanzminister nominiert und damit den letzten vakanten Schlüsselposten in seinem Kabinett faktisch besetzt. Seine Entscheidung begründete Obama unter anderem mit der reichhaltigen Erfahrung Lews in Haushaltsfragen. Ihn als Stabschef zu verlieren, fühle sich zwar „bittersüß“ an, sagte Obama. „Aber mein Verlust wird ein Gewinn für die Nation sein.“ Auf Lew wartet nun die heikle Aufgabe, die USA vor dem Schuldenkollaps zu bewahren.

Obama lobte Lew dafür, als Chef der Haushaltsbehörde unter Ex-Präsident Bill Clinton immerhin drei Jahre infolge einen Budgetüberschuss erzielt zu haben. „Er ist ein zurückhaltender Typ, der sich lieber mit politischen Experten als Fernsehkameras umgibt“, sagte Obama. Nun rückt Lew, der in Washington meist nur „Jack“ gerufen wird und drei Jahrzehnte im Staatsdienst hinter sich hat, in den innersten Zirkel der Regierung auf. Zuvor hatte Obama schon John Kerry als neuen Außenminister sowie Chuck Hagel als Verteidigungsminister und John Brennan für den CIA-Chefposten nominiert.

Stimmt der von Demokraten dominierte Senat der Personalie Lew zu, würde der strenggläubige Jude Timothy Geithner als Finanzminister ablösen. Auch für den scheidenden Ressortchef hatte Obama warme Worte parat: Der habe nach seinem Amtsantritt 2009 auf dem Höhepunkt der Krise eine Vielzahl neuer Finanzmarktregeln durch den Kongress gebracht. „In den Geschichtsbüchern wird Tim Geithner eines Tages als einer unserer besten Finanzminister stehen“, sagte Obama unter den Blicken Geithners und seines designierten Nachfolgers.

Republikanischer Senator hält Lew für den falschen Mann

Die beiden Männer illustrieren den Kurswechsel zu Beginn von Obamas zweiter Amtszeit: Geithner war als Banker mit dem Stallgeruch der Wall Street nach Washington gekommen – Lew gilt dagegen als raffinierter und detailversessener Haushaltsexperte, der bei Verhandlungspartnern für seine Hartnäckigkeit berüchtigt ist. So werfen ihm manche Republikaner vor, mit seiner unnachgiebigen Art eine nachhaltige Lösung des Haushaltsstreit im Sommer 2011 mit verhindert zu haben.

„Wir brauchen einen Finanzminister, dem das amerikanische Volk, der Kongress und die Welt zutrauen, Amerika wieder auf den Wohlstandspfad und aus der Abwärtsspirale heraus zu führen“, sagte der republikanische Senator Jeff Sessions. „Jack Lew ist nicht dieser Mann.“ Erste Reaktionen der Unternehmens- und Finanzwelt auf die Personalie fielen dagegen weit positiver aus.

Tatsächlich stünde Lew in seinem neuen Amt direkt eine große Herausforderung bevor: Im Streit zwischen Republikanern und Demokraten über die Anhebung der Schuldengrenze von 16,4 Billionen Dollar und empfindliche Ausgabenkürzungen wird er zwischen verhärteten Fronten vermitteln müssen. Außerdem läuft im März eine vom Kongress beschlossene Übergangsregelung aus, die der Regierung die Handlungsfähigkeit sichert. Werden diese drei miteinander verbandelten Probleme nicht gelöst, könnte dies weit schlimmere Folgen für die US-Wirtschaft haben als die jüngst umschiffte Fiskalklippe.

Wird Lew US-Finanzminister, ziert seine Unterschrift bald auch alle neuen Dollar-Noten. Die kritzelige Signatur des 57-Jährigen (ein „J“ und sieben Kringel) veranlasste Obama zu einem Scherz über die Qualifikation seines Kandidaten: Als er die kryptische Unterschrift zum ersten Mal sah, habe er ernsthaft darüber nachgedacht, „mein Nominierungs-Angebot wieder zurückzuziehen“.