Fünf Angeklagte, rund 50 Anwälte und 57 Nebenkläger. Das Verfahren um die NSU-Morde stellt die Münchner Justiz vor Herausforderungen.

München/Karlsruhe. Es wird wohl der größte Terrorismusprozess in Deutschland seit den RAF-Verfahren der 1970er Jahre: Von kommendem Frühjahr an soll vor dem Oberlandesgericht München gegen die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe sowie vier mutmaßliche Helfer und Unterstützer des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) verhandelt werden.

Derzeit kämpft sich der Staatsschutzsenat des OLG durch die Akten, rund 1000 Stehordner sind das. Am 8. November hatte Generalbundesanwalt Harald Range die Anklageschrift vorgelegt, nach einem Jahr intensiver Ermittlungen. Es ist eine maximale Anklage: Beate Zschäpe wird Mittäterschaft bei allen Verbrechen des NSU vorgeworfen – darunter die neun Morde an Geschäftsleuten ausländischer Herkunft, der Mordanschlag auf zwei Polizisten in Heilbronn sowie zwei Bombenattentate in Köln.

Zschäpe sei nicht direkt vor Ort beteiligt gewesen, so die Bundesanwaltschaft, sie habe jedoch die „unverzichtbare Aufgabe“ gehabt, „dem Dasein der terroristischen Vereinigung den Anschein von Normalität und Legalität zu geben“. Bis zum 7. Januar haben die Verteidiger Zeit, sich zu der Anklage zu äußern, dann muss das Gericht über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden. „Vor Frühjahr rechne ich nicht mit einem etwaigen Start des Prozesses“, sagt die Sprecherin des Oberlandesgerichts, Margarete Nötzel.

Vorsitzender des Staatsschutzsenats ist der 59-jährige Manfred Götzl – ein erfahrener Jurist, er gilt als gründlich und hart. Bereits als Vorsitzender der Schwurgerichtskammer am Landgericht München I verhandelte er spektakuläre Fälle: 2005 verurteilte er den Mörder des Modezaren Rudolph Moshammer zu lebenslanger Haft. 2009 verhängte er gleichfalls eine lebenslange Haftstrafe gegen den damals 90-jährigen früheren Wehrmachtsoffizier Josef Scheungraber wegen eines Massakers an italienischen Zivilisten. 2010 übernahm Götzl den 6. Senat am Oberlandesgericht, zuletzt verhandelte er gegen acht Helfer der deutschen Sektion des Propagandanetzwerks „Globale Islamische Medienfront“.

Der erwartete NSU-Prozess stellt das Gericht vor neue Herausforderungen. Ein seit langem geplanter Hochsicherheitssaal auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Stadelheim soll erst 2015 fertig sein – im Frühjahr sollen erst die Bagger rollen. Bleibt nur der Schwurgerichtssaal 101 im Strafjustizzentrum Nymphenburger Straße. „Es gibt keinen anderen Sitzungssaal – wir haben gar keine Ausweichmöglichkeit“, sagt Nötzel.

In dem fensterlosen Saal 101 war bereits gegen den Nazi-Helfer John Demjanjuk verhandelt worden. Aus dem In- und Ausland reisten Journalisten und Nebenkläger an – es schien, als platze der Raum aus allen Nähten. Regulär gibt es 136 Zuschauerplätze.

Beim NSU-Prozess wird es aber wohl mehr als 100 Prozessbeteiligte geben. Bisher wollen 57 Nebenkläger teilnehmen, vertreten durch mehr als 40 Anwälte. Die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe und ihre vier mutmaßlichen Helfer haben weitere zehn Anwälte. Schon jetzt wird überlegt, wie der Saal für die besonderen Anforderungen eines Mega-Verfahrens umstrukturiert werden kann. Am 4. Dezember gab es eine Begehung mit Vertretern des Justizministeriums und des Oberlandesgerichts. Dabei seien umfangreiche Eckpunkte festgelegt worden, erläuterte ein Ministeriumssprecher.

Es handele sich um den „am besten abgesicherten Sitzungssaal in den Münchner Justizgebäuden“, betonte der Sprecher. „Er ist zum Beispiel nicht einsehbar, verfügt über eigenen Haftzellen und eine separate Gefangenenzuführung.“