„Ich schließe bei Fortsetzung der Durchwurstelei durch die Regierungen ein Zerbrechen der EU nicht aus“, sagte Schmidt.

Brüssel/Hamburg. Altbundeskanzler Helmut Schmidt warnt vor einem Auseinanderfallen der Europäischen Union (EU). „Ich schließe bei Fortsetzung der gegenwärtigen Durchwurstelei durch die Regierungen der europäischen Mitgliedstaaten die Möglichkeit eines Zerbrechens der Europäischen Union nicht aus“, sagte Schmidt am Mittwoch in Brüssel bei einer Veranstaltung der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament.

Die Wahrscheinlichkeit für dieses Szenario liege bei „viel weniger als 50 Prozent“, meinte Schmidt. „Die gegenwärtige Staatsschuldenkrise, insbesondere in Griechenland, aber auch die Krise in Portugal, in Spanien und möglicherweise in Italien ist von einer anderen Natur als bisherige Krisen“, sagte der SPD-Politiker. „Was heute fehlt bei den europäischen Regierungen ist die Tatkraft.“

Der frühere EU-Kommissionspräsident Jacques Delors bejahte ebenfalls die Frage, ob die Krise existenzgefährdend für die EU sein könnte. Die Globalisierung ändere die weltweiten Kräfteverhältnisse - „Europa steht nicht mehr an erster Stelle.“ Der Franzose fügte hinzu: „Die Bürger haben Angst vor der Globalisierung, Populisten nützen das aus.“

Schmidt sagte auf die Frage, welcher EU-Institution er am besten vertraue: „Mein Vertrauen in die Europäische Zentralbank ist am größten.“ Diese sitze nicht in Brüssel, sondern in Frankfurt. In Brüssel vertraue er am meisten dem EU-Parlament. Schmidt sprach sich dafür aus, dem Parlament ein Initiativrecht für Gesetze einzuräumen. Bisher steht dies nur der EU-Kommission zu.