Medienberichten zufolge zählen BKA und Verfassungsschutz rund 100 Personen zum „engeren und weiteren Umfeld” der Rechtsextremisten.

Berlin/München. Das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz zählen einem Zeitungsbericht zufolge 100 Personen zum „engeren und weiteren Umfeld“ der rechtsextremen Terrorzelle NSU. Neben Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe sowie den zwölf von der Bundesanwaltschaft beschuldigten mutmaßlichen NSU-Helfern sollen 85 weitere Personen Kontakt zum Trio oder zu dessen engsten Unterstützern gehabt haben, berichtet die Berliner „tageszeitung“ (taz/Mittwoch) unter Berufung auf eine geheime Liste der Behörden.

Darin würden ehemalige Weggefährten des Neonazi-Trios aus dem Thüringer Heimatschutz, dem „Blood-and-Honour“-Netzwerk und auch mehrere ehemalige und aktuelle Funktionäre der rechtsextremen NPD aufgeführt. Unter den 100 „relevanten Personen“ im NSU-Umfeld seien zudem fünf langjährige V-Leute von Polizei und Verfassungsschutz aufgeführt.

Der frühere bayerische Verfassungsschutzchef Gerhard Forster sieht derweil trotz der fehlenden Erkenntnisse über einen rechtsextremen Hintergrund der Neonazi-Mordserie kein Versagen seiner Behörde. „Mir ist es zumindest im Moment nicht erinnerlich, wo wir einen eklatanten Fehler gemacht haben“, sagte Forster am Dienstag im NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags in München.

Forster betonte, man habe nach den NSU-Morden mehrfach nach möglichen rechtsextremen Hintergründen geforscht. „Ganz sicher“ hätten die V-Mann-Führer damals ihre Kontaktpersonen befragt, betonte Forster, der die Behörde von 1994 bis 2001 leitete. „Das Ergebnis war gleich null. Wir haben in der Szene nachgefragt, aber es waren keine Hinweise da.“ Bei der Terrorgruppe NSU habe es sich wohl um eine konspirativ arbeitende kleine Zelle gehandelt, an der der Verfassungsschutz nicht dran gewesen sei, erläuterte er. Die Behörden hätten eben keine V-Leute in der Nähe dieser Zelle gehabt.

Die Neonazi-Terrorgruppe NSU hatte fünf ihrer mutmaßlich zehn Morde in Bayern verübt, den ersten davon im September 2000 in Nürnberg. Der Untersuchungsausschuss soll unter anderem klären, ob es nach den Morden Ermittlungspannen bei den bayerischen Behörden gab. Forster ist der erste Zeuge, der im Ausschuss vernommen wurde.

Er erläuterte, dass der Verfassungsschutz kein dichtes Überwachungsnetz betreiben könne und dass es unmöglich sei, zahlreiche Einzelpersonen zu überwachen. „Wir sind darauf angewiesen, Informationen zu bekommen.“ Und damals – vor oder nach den NSU-Morden - habe die Behörde leider keine Hinweise gehabt.

„Wir alle wären froh gewesen, wir hätten einen Hinweis bekommen, das können Sie uns glauben“, sagte Forster. „Sie können uns glauben, das bedrückt die Mitarbeiter, die Quellen führen und nichts davon erfahren haben, am meisten“, betonte der Ex-Verfassungsschützer.

Insgesamt wuchs die rechtsextreme Szene in Bayern in den 1990er Jahren nach Worten Forsters stark an. „Und wir hatten den Eindruck, dass die Neonazi- und Skinhead-Szene militanter wird.“ Gleichzeitig habe der Verfassungsschutz die Rechtsextremismus-Abteilung deutlich aufgestockt. Der Rechtsextremismus sei damals der Schwerpunkt in der Extremismusbeobachtung gewesen.

Die Zusammenarbeit mit Partnerbehörden in den anderen Bundesländern und mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz lief nach Worten Forsters reibungslos. Es habe regelmäßige Kontakte gegeben. Forster berichtete im Ausschuss auch, dass der führende Kopf des Neonazi-Netzwerks „Thüringer Heimatschutzes“, Tino Brandt, Ende der 1990er Jahre seine Aktivitäten nach Bayern ausgeweitet habe. Und er habe „einen ganzen Schwanz Thüringer Rechtsextremisten mit nach Bayern gezogen“.

Zum „Thüringer Heimatschutz“ gehörte auch die Jenaer Kameradschaft, in der die drei Rechtsextremen waren, die später die Terrorgruppe NSU bildeten. Brandt wiederum war damals der wichtigste V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes in der rechten Szene. Das habe der bayerische Verfassungsschutz auch gewusst.

Brandt gründete damals den rechtsextremen „Fränkischen Heimatschutz“. Seine Behörde habe aber die Thüringer Kollegen damals gedrängt, Brandt zum Rückzug zu bewegen. Das sei auch geschehen. Zugleich machte Forster deutlich, dass Brandt von seiner Behörde nie als V-Mann geführt worden wäre – weil er ein führender Kopf der Szene war.