Bei dem jüngsten bekannten Fall verhinderten die Piloten im Dezember 2010 nur mühsam eine Katastrophe: Obwohl stark benommen, landeten sie den Jet mit rund 150 Personen an Bord sicher auf dem Flughafen Köln-Bonn. Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) klassifizierte den Zwischenfall in ihrem jetzt veröffentlichten Bericht als „schwere Störung“.

Berlin (dapd). In einem Airbus A319 der Lufthansa-Tochter Germanwings ist es bislang zweimal zu Zwischenfällen mit möglicherweise vergifteter Kabinenluft gekommen. Bei dem jüngsten bekannten Fall verhinderten die Piloten im Dezember 2010 nur mühsam eine Katastrophe: Obwohl stark benommen, landeten sie den Jet mit rund 150 Personen an Bord sicher auf dem Flughafen Köln-Bonn. Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) klassifizierte den Zwischenfall in ihrem jetzt veröffentlichten Bericht als „schwere Störung“.

Die Pilotenvereinigung Cockpit warf Germanwings Verharmlosung vor. Grüne und SPD im Bundestag scheiterten mit Anträgen, die Bundesregierung solle Probleme mit Giftanteilen in der Kabinenluft erforschen und Vorkehrungen veranlassen, die Kontamination zu unterbinden.

Abgesehen von den Piloten, die vorübergehend ins Krankenhaus mussten, kam im Dezember 2010 niemand zu Schaden. 2008 musste eine Maschine kurz nach dem Start in Dublin umkehren, weil der Crew übel geworden war. Germanwings-Sprecher Heinz Joachim Schöttes wies am Freitag Medienberichte zurück, wonach seine Gesellschaft den Vorfall habe vertuschen wollen.

Beide Piloten des Airbus A319 aus Wien hatten beim Landeanflug auf Köln am 19. Dezember 2010 einen „elektrisch-süßlichen Geruch“ bemerkt, der sie in ihrem Wahrnehmungs- und Entscheidungsvermögen stark beeinträchtigte. Der 26-jährige Copilot sei nicht mehr in der Lage gewesen, seiner Funktion uneingeschränkt nachzukommen, hieß es in dem Bericht. Der 35-jährige Flugkapitän habe den Airbus dennoch sicher gelandet. Beide mussten dazu ihre Sauerstoffmasken einsetzen und eine „Luftnotlage“ erklären. Unmittelbar darauf begaben sich die Piloten in medizinische Behandlung. Die Passagiere bekamen nichts von dem Geschehen mit. Der Copilot sei anschließend über sechs Monate lang fluguntauglich gewesen. Das Flugzeug sei noch in Köln von Germanwings-Technikern überprüft worden, die den Geruch ebenfalls bemerkten und auf die Enteisungsflüssigkeit zurückführten.

Keine Vergiftungserscheinungen der Crew

Germanwings habe das Ereignis am 20. Dezember 2010 an die BFU und das Luftfahrt-Bundesamt gemeldet, sagte Schöttes. Er sprach von einer „kurzfristigen leichten Beeinträchtigung“ der Piloten, die sofort nach Anlegen der Sauerstoffmasken nachgelassen habe. Der Pilot habe sofort das einschlägige BFU-Formular ausgefüllt. In deren Bericht hieß es allerdings: Die BFU „... erhielt die Mitteilung, dass die ... betroffene Crew keine Vergiftungserscheinungen aufweise“. Damit sei der Zwischenfall als „nicht weiter zu untersuchender Fall befunden“ worden.

„Ein Jahr nach dem Ereignis erreichten die BFU weitere Informationen zum Anflug“, schrieb die Unfallstelle weiter. Daraufhin sei eine neue Untersuchung eingeleitet worden, auf deren Erkenntnissen der am Donnerstag veröffentlichte Bericht beruhe. Germanwings erklärte weiter, zwischen den beiden Vorfällen habe die betroffene Maschine über 6.000 Flüge ohne Beanstandungen absolviert.

Für die Grünen im Bundestag belegt der Fall, dass verunreinigte Kabinenluft in Flugzeugen nicht nur „eine Gefahr für die Passagiere, sondern auch für die Flugsicherheit“ darstellt, wie ihr Abgeordneter Markus Tressel im Bundestag erklärte. Er berichtete von 67 amtlich erfassten Zwischenfällen in den vergangenen drei Jahren. Der FDP-Abgeordnete Torsten Staffeldt sprach von Vorfällen „unterhalb der Wahrnehmungsgrenze“, befürwortete aber auch Überlegungen der Industrie, die Anzapfstellen für die Kabinenluft aus dem Triebwerksbereich wegzuverlegen.