Die Gänsehautmomente beim Obama-Parteitag werden den Amerikanern im Gedächtnis bleiben. Auch Ex-Präsident Clinton brillierte mit seiner Rede.

Charlotte. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney wird sich die für den heutigen Abend (Ortszeit) angekündigte Rede von Amtsinhaber Barack Obama eigenen Angaben zufolge wohl nicht verfolgen. Er habe diesbezüglich keine Pläne, sagte Romney am Donnerstag. Nach seiner Nominierung wird Obama auf dem Parteitag der Demokraten am Abend seine zweite Präsidentschaftskandidatur annehmen.

Romney gab dem Präsidenten zuvor dennoch einen Rat mit auf den Weg. So solle dieser von seinen Versprechen berichten, die er einst gegeben habe. „Es gibt vergessene Versprechen und in Vergessenheit geratene Menschen“, sagte der Republikaner, der sich nach seiner eigenen Nominierung vergangene Woche bereits auf eine Reihe von Debatten mit Obama vorbereitet.

Beim Parteitag der Demokraten in Charlotte erwarteten sich Delegierte und Wähler von Obamas Rede eine Vision für Amerika und vor allem die Wirtschaft des Landes für die nächsten vier Jahre. Obama werde den Wählern „eine sehr klares Bild darüber vermitteln, welchen Pfad das Land gehen müsse“, sagte Präsidentenberater David Plouffe am Morgen im US-Fernsehen.

Zuvor peitschte Ex-Präsident Bill Clinton mit einem kämpferischen Auftritt in Charlotte (North Carolina) die Demokraten ein und setzte Obamas republikanischen Herausforderer Mitt Romney massiv unter Druck.

+++ Michelle Obama: "Wir werden es schaffen - das tun wir immer!" +++

Der Amtsinhaber selbst sollte am Donnerstagabend (Ortszeit) mit seiner Abschlussrede die entscheidende Phase des Wahlkampfs einläuten. Doch der Parteitag brachte auch Negativschlagzeilen. Clinton (1993 – 2001) gab den Demokraten mit einer hochgelobten, leidenschaftlichen Rede zur besten TV-Sendezeit am Mittwoch große Hoffnung auf einen Sieg am 6. November.

„Ich will, dass Barack Obama der nächste Präsident der Vereinigten Staaten wird“, rief der populäre Ex-Präsident den 20.000 Zuschauern in der Basketball-Arena zu. „Ich will einen Mann nominieren, der nach außen hin cool ist, aber im Inneren für Amerika brennt.“ Das Publikum antwortete begeistert mit Sprechchören: „Noch vier Jahre, noch vier Jahre.“

Am Ende der 48 Minuten langen Rede kam Obama überraschend auf die Bühne, um Clinton innig zu umarmen. Die Bilder der freudestrahlenden Männer ging sofort um die Welt. Auch Obamas Ehefrau Michelle schaute in der Arena zu. Sie hatte am Dienstag mit einer Liebeserklärung an ihren Mann vor allem in der weiblichen Wählerschaft wichtige Sympathiepunkte gesammelt. Obama wurde nach Clintons Nominierungsrede einstimmig von den knapp 6000 Delegierten zur Wahl aufgestellt.

Mit eindringlichen Worten verteidigte Clinton vor allem Obamas Wirtschaftspolitik gegen Angriffe der Republikaner. Der Präsident habe in seinen ersten vier Jahren die Erholung vorangetrieben und das Sozialsystem der USA auf neue Beine gestellt. „Lasst Obama im Amt“, rief der 66-Jährige seine Landsleute mit erhobenem Zeigefinger auf. „Er hat das Fundament für eine neue, moderne und erfolgreiche Wirtschaft gelegt. Wenn Sie den Vertrag des Präsidenten verlängern, dann werden Sie das spüren.“

US-Medien überschlugen sich mit Lob: Die Rede sei geistreich, beherzt und aufrüttelnd gewesen.

Von vielen Statistiken gestützt zählte Clinton die Erfolge der Regierung Obama auf. Von der Rettung der US-Autoindustrie bis zu seiner Gesundheitsreform habe der Amtsinhaber viele Erfolge gefeiert. „Ist der Präsident zufrieden? Natürlich nicht. Stehen wir besser da als damals, als er ins Amt kam? Die Antwort ist Ja“, sagte Clinton. Er reagierte damit auf Romneys Wahlkampfslogan, unter Obama hätten sich die Verhältnisse für die Bevölkerung verschlechtert.

Clinton warf den Republikanern vor, Obama vor vier Jahren wirtschaftlich eine „totale Sauerei“ hinterlassen zu haben. „Kein Präsident, weder ich noch einer meiner Vorgänger hätte jemals den ganzen Schaden in nur vier Jahren beheben können.“ Bei der Wahl gehe es darum, welchen Weg die Amerikaner weiter beschreiten wollten. „Wenn sie ein Land mit geteiltem Wohlstand und geteilter Verantwortung wollen – eine Gesellschaft, in der wir alles gemeinsam durchstehen – dann sollten Sie Barack Obama wählen.“

Romney hatte am Mittwoch erneut die Politik des Amtsinhabers kritisiert. Dass der Schuldenstand im US-Haushalt nun die Marke von 16 Billionen Dollar (12,7 Billionen Euro) überschritten habe, zeuge von seinem Versagen. „Es gibt keinen Weg, diese Zahl mit der Aussage zu verknüpfen, dass es Amerika besser geht“, sagte er bei einer Veranstaltung in New Hampshire.

Dem Auftritt des sehr beliebten Clinton wurde immense Bedeutung beigemessen. Sein Verhältnis zum Amtsinhaber war einst schlecht, weil Clintons Ehefrau Hillary 2008 die Vorwahlen um die Präsidentschaftskandidatur gegen Obama verloren hatte. Heute ist sie Außenministerin Obamas. Schon die Einbindung seiner damaligen Kontrahentin zeige, dass der 51-Jährige auf Kooperation statt Auseinandersetzung setze, sagte Clinton unter lautem Lachen des Publikums: „Verdammt, er hat sogar Hillary ernannt.“

Vor der Nominierung kam es auf dem Parteitag allerdings zum Streit über die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels. Dieser Passus stand noch 2008 in der Wahlplattform. Vor dem diesjährigen Parteitag wurde er gestrichen. Dreimal mussten die Delegierten per Akklamation abstimmen, weil keine klare Mehrheit auszumachen war. Die Passage wurde dann wieder aufgenommen. Viele Delegierte quittierten das mit Buhrufen. Experten zufolge hat das den Demokraten geschadet.

Der Status von Jerusalem ist zwischen Israel und Palästinensern besonders umstritten. Die Palästinenser wollen den von Israel besetzten arabischen Ostteil zur Hauptstadt ihres künftigen Staates ausrufen. Israel betrachtet Jerusalem als seine „unteilbare und ewige Hauptstadt“. Das ist international nicht anerkannt. Die USA plädieren offiziell für eine Regelung des Streits in Friedensverhandlungen. Auch die US-Botschaft befindet sich in Tel Aviv.

Das Weglassen der Passage in dem am Dienstag verabschiedeten Manifest hatte herbe Kritik bei Republikanern und jüdischen Organisationen ausgelöst. Auch dass der Begriff „Gott“ nirgends in dem Papier auftauchte, sorgte für Unmut. Nach US-Medienberichten hatte sich Obama persönlich für die Änderung stark gemacht. „Das Manifest wurde ergänzt, um die Einheitlichkeit mit den persönlichen Ansichten des Präsidenten zu erhalten“, sagte die Parteivorsitzende Debbie Wasserman Schultz laut einer Mitteilung.

Mit Material von dpa