Er überließ nichts dem Zufall. Die Kaltblütigkeit, mit der Breivik sein Massaker plante, ließ viele schaudern. Das Urteil war am Ende in seinem Sinne: zurechnungsfähig.

Oslo. Neun Jahre lang bereitete er einen Massenmord vor. Zum Töten trug er eine Polizeiuniform. Seine krude Ideologie goss er in ein 1516 Seiten starkes Manifest. Anders Behring Breivik überließ nichts, was in seiner Macht stand, dem Zufall.

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Dass ihn die Richter nach seinem Massaker mit 77 Toten in Oslo und im Jugendlager auf der Fjordinsel Utøya für zurechnungsfähig erklärten, dürfte für ihn eine große Genugtuung sein. Trotz der Höchststrafe und einer Zukunft hinter Gittern – Breivik nahm den Urteilsspruch vom Freitag mit einem Lächeln auf. „Einen politischen Aktivisten in eine psychiatrische Anstalt einzuweisen, ist sadistischer und böser, als ihn zu töten“, hatte der 33-Jährige aus dem Hochsicherheitsgefängnis Ila geschrieben.

Breivik versteht sich als politischer Aktivist durch und durch. Er schrieb seine Mission im Manifest nieder: Europa vor dem Islam und dem „Kulturmarxismus“ zu retten. Rund eine Stunde, bevor er am 22. Juli 2011 im Osloer Regierungsviertel eine Bombe hochgehen ließ, mailte er es zahlreichen Freunden zu. Im sozialdemokratischen Ferienlager auf der idyllischen Insel Utøya schoss er wenig später als Polizist verkleidet kaltblütig auf Jugendliche; 69 starben.

„Er ist blond, blauäugig und kalt wie Eis“ – so beschrieb ihn ein Vernehmungsbeamter in den ersten Tagen nach dem Attentat, als ganz Norwegen noch unter Schock stand. Als Breivik nach seinem Massaker das erste Mal in die Öffentlichkeit trat, lächelte er fast schüchtern. Und zeigte, wie später auch vor Gericht, den Nazi-Gruß.

Sein Ziel war immer Aufmerksamkeit, der Massenmord Mittel zum Zweck. „Er denkt viel daran, inwieweit seine Gedanken, besonders die aus dem Manifest, in der Gesellschaft Wurzeln geschlagen haben“, berichtete sein Anwalt Geir Lippestad. Der zehnwöchige Prozess, der Gerichtssaal mit den Übertragungskameras aus aller Welt musste in seinen Augen die perfekte Bühne sein.

Aber Richterin Wenche Elizabeth Arntzen und Staatsanwältin Inga Bejer Engh hatten die Gabe, diesen Mann sich selbst entzaubern zu lassen, ihn in Widersprüche zu verstricken. Und Breivik bekam nur dann das Wort, wenn Kameras und Mikrofone ausgeschaltet waren.

Vieles an Breivik blieb bis zum Schluss rätselhaft. Bei seiner alleinerziehenden Mutter wuchs er in geordneten Verhältnissen auf, hatte viele Freunde. Aber als er anfing, seine ungeheuerlichen Pläne zu schmieden, zog er sich zurück ins kleine Kinderzimmer, brach alle Kontakte ab, verbrachte Stunden vor dem Computer und spielte Killerspiele. Bis er zur echten Waffe griff.

Die schmerzhaften Schilderungen der Überlebenden hörte sich der Massenmörder wochenlang reglos an. Tränen vergoss er nur ein einziges Mal: als das Gericht Breiviks Video über seinen „Kampf“ gegen die Islamisierung Norwegens abspielen ließ. Da bebten seine Gesichtszüge einen kurzen Weinkrampf lang. Er war von sich selbst gerührt.

(dpa)