Einerseits galt der äthiopische Premierminister, der in der Nacht zum Dienstag im Alter von 57 Jahren gestorben ist, seit langem als verlässlicher Partner der USA im Kampf gegen den islamischen Terrorismus. Andererseits gab es immer wieder Vorwürfe internationaler Organisationen, die dem Ministerpräsidenten Menschenrechtsverletzungen und die Unterdrückung jeglicher Opposition vorwarfen.

Addis Abeba. Meles Zenawi war ein afrikanischer Regierungschef mit vielen Facetten: Einerseits galt der äthiopische Premierminister, der in der Nacht zum Dienstag im Alter von 57 Jahren gestorben ist, seit langem als verlässlicher Partner der USA im Kampf gegen den islamischen Terrorismus. Andererseits gab es immer wieder Vorwürfe internationaler Organisationen, die dem Ministerpräsidenten Menschenrechtsverletzungen und die Unterdrückung jeglicher Opposition vorwarfen.

Dennoch: Das christlich-orthodox geprägte Land am Horn von Afrika wurde unter Meles’ Führung zu einer Insel der Stabilität in der Region. Zahlreiche Investoren kamen ins Land, insbesondere aus China. Addis Abeba erlebt seit Jahren einen nie dagewesenen Bauboom. 1955 als Legesse Zenawi in der Provinz Tigray im Norden Äthiopiens geboren, nahm er später den Namen Meles an, zu Ehren eines während des Widerstandskampfes getöteten Mitkämpfers. Er studierte in Addis Abeba und an internationalen Universitäten in Großbritannien und den Niederlanden.

Nach dem Sturz von Kaiser Haile Selassie und während des diktatorisch sozialistischen Regimes von Mengistu Haile Mariam schloss er sich der neu gegründeten Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) an. Mit Hilfe der Eritreischen Volksbefreiungsfront (EPLF) des damals zu Äthiopien gehörenden Eritrea gelang der Oppositionsbewegung 1991 der Sturz der 14 Jahre langen Mengistu-Herrschaft.

Bei den Wahlen 1995 wurde Zenawi zum Regierungschef gewählt – ein Amt, das er 17 Jahre lang inne haben sollte. Die Wahlergebnisse waren häufig umstritten. 2005 kam es zu blutigen Tumulten mit über 200 Toten und zahlreichen Festnahmen Oppositioneller. Von 1998 bis 2000 zog das Land unter Meles’ Führung in einen Grenzkrieg gegen das mittlerweile abgespaltene Eritrea, bei dem fast 100 000 Menschen ums Leben kamen.

International wurde Äthiopien immer wieder wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen angeprangert. Erst kürzlich waren der prominente Journalist Eskinder Nega und mehrere Oppositionspolitiker zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden, weil sie die umstrittenen nationalen Vorschriften zur Terrorismus-Bekämpfung verletzt haben sollen. Viele Oppositionelle sind ins Exil gegangen.

Doch Äthiopien, das seit Jahrzehnten immer wieder von Dürren und Hungerkatastrophen heimgesucht wird, hat unter Meles auch riesige Fortschritte gemacht, die vor allem in der Hauptstadt Addis sichtbar sind. Straßenbau-, Bildungs- und Gesundheitsprojekte wurden zielstrebig vorangetrieben, zeitweise war das Wirtschaftswachstum des Landes das höchste aller nicht ölexportierenden Staaten in Subsahara-Afrika. Gleichzeitig belegt Äthiopien auf dem Entwicklungsindex weiterhin einen der untersten Plätze. Meles hatte zuletzt angekündigt, 2015 nicht erneut für das Amt des Premierministers kandidieren zu wollen.

(dpa)