Die Welt rätselt, welchen Kurs Nordkorea nach dem Tod seines Diktators Kim Jong Il einschlagen wird. Das arme Land ist unberechenbar und versetzt seine Nachbarn in Alarmbereitschaft.

Seoul/Pjöngjang. Kim Jong Il ist am Sonnabend nach einem Herzinfarkt gestorben. Die Welt ist ratlos, welchen Kurs sein Nachfolger fahren wird. Klar ist, dass der Tod des Diktators große Sorge vor einer gefährlichen Instabilität ausgelöst hat. Das nordkoreanische Staatsfernsehen berichtete am Montag mit zweitägiger Verspätung, dass am Sonnabend während einer Inspektionsreise mit dem Zug als Folge „großer körperlicher und geistiger Ermüdung“ an einem Herzinfarkt gestorben sei. Der nordkoreanische Machthaber war offiziellen Angaben 69 Jahre alt.

Nordkoreas Militär und die Bevölkerung hätten dem als „großartigen Nachfolger“ gepriesenen Diktatoren-Sohn Kim Jong Un die Treue geschworen. Er ist Enkel des Staatsgründers Kim Il Sung. Am Tag der Todesnachricht testete Nordkorea laut südkoreanischen Berichten zwei Raketen mit kurzer Reichweite vor der Ostküste.

Asiatische Börsen reagierten mit Kursverlusten. Südkorea versetzte seine Streitkräfte in Alarmbereitschaft. Präsident Lee Myung Bak rief seine Landsleute zur Ruhe auf und telefonierte eigens mit US-Präsident Barack Obama. Obama habe dabei das „klare Bekenntnis“ der USA unterstrichen, sich für die Stabilität auf der koreanischen Halbinsel und die Sicherheit Südkoreas einzusetzen, teilte das Weiße Haus mit.

Das Regime des kommunistischen Nordkorea rief die Bevölkerung auf, sich hinter den knapp 30-jährigen Kim Jong Un zu stellen, der als Schüler in der Schweiz gelebt haben soll. Kim Jong Il hatte zuletzt seinen Sohn auf die Machtnachfolge in dritter Generation vorbereitet. „Es ist der größte Verlust für unsere Partei und der größte Trauerfall für das Volk“, sagte eine in schwarz gekleidete nordkoreanische Nachrichtensprecherin mit Tränen in den Augen.

+++ Tod von Kim Jong Il versetzt Asien in Alarmbereitschaft +++

Das Fernsehen zeigte immer wieder Bilder von weinenden Menschen in Pjöngjang. Viele Menschen gingen auf den Straßen auf die Knie. Regierungsbeamte riefen: „Das können wir nicht glauben.“ Große Menschenmengen versammelten sich vor den großen Denkmälern für Kims Vater und „ewigen Präsidenten“ Kim Il Sung. Sein Sohn werde neben seinem Vater zur Ruhe gebetet, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur KCNA. Kim Il Sungs Leiche liegt einbalsamiert in einer riesigen Gedächtnishalle in der Hauptstadt.

Nach Angaben südkoreanische Beobachter gab es jedoch weit weniger Hysterie und trauernde Menschenmassen auf den Straßen als im Juli

1994, als Kim Il Sung starb. Kim wird in Nordkorea noch immer als gottgleiche Person verehrt. Den Personenkult hatte Kim Jong Il von seinem Vater übernommen.

Das Regime rief eine 13-tägige Trauerperiode bis zum 29. Dezember aus. Kims Sohn sei zum Vorsitzenden der Beisetzungskommission für seinen Vater ernannt worden, hieß es. Das Staatsbegräbnis für Kim Jong Il, der die Macht nach dem Tod Kim Il Sungs übernommen und sein Land mit eiserner Faust regiert hatte, soll am 28. Dezember sein.

Kim, der nach einem vermuteten Schlaganfall 2008 als gesundheitlich angeschlagen gegolten hatte, hatte zuletzt die Übertragung der Macht auf seinen Sohn vorangetrieben. Kim Jong Un war im September 2010 zum Vier-Sterne-General ernannt und in die erweiterte Führungsriege der Arbeiterpartei aufgenommen worden. Kim Jong Il, der eine „Militär-Zuerst-Politik“ verfolgte, ernannte ihn damit praktisch zum Nachfolger. Der Machttransfer ist nach Meinung von Experten eine große Herausforderung für eine Diktatur wie Nordkorea. Der Erfolg gilt als nicht garantiert. Auch wurden neue Provokationen gegen Südkorea nicht ausgeschlossen.

Die Streitkräfte Nordkoreas hätten am Tag der Todesnachricht zwei Raketen zu Testzwecken gestartet, berichtete die nationale südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf Regierungsbeamte in Seoul. Man gehe jedoch nicht davon aus, dass der Test im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Tod Kims stehe und Südkorea provoziert werden sollte.

Südkorea verstärkte nach Angaben des Generalstabs der Streitkräfte die Kontrolle der innerkoreanischen Grenze und des Luftraums. Es seien jedoch bisher keine „ungewöhnlichen Aktivitäten“ der nordkoreanischen Volksarmee beobachtet worden, hieß es. Beide Staaten befinden sich völkerrechtlich seit dem Ende des Korea-Kriegs (1950-53) noch im Kriegszustand.

Japan berief seinen Sicherheitsrat ein. Regierungschef Yoshihiko Noda wies am Montag das Verteidigungsministerium und andere Regierungsstellen an, sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle rief die künftige Führung in Nordkorea zu Reformen auf. „Die Menschen leiden unter der Diktatur“, sagte Westerwelle am Montag am Rande eines Besuchs in London. „Sie brauchen neue Wohlstandschancen.“

Trotz der wirtschaftlichen Probleme und großer Armut trieb Nordkorea unter Kim seine Raketen- und Atomprogramme voran, die in der Region als Sicherheitsbedrohung gesehen werden. In den Jahren 2006 und 2009 unternahm Nordkorea jeweils einen Atomtest, auf die der UN-Sicherheitsrat mit Sanktionen reagierte. (dpa)