EU-Kommissarin Hedegaard prangert USA und China an. Experten warnen vor dramatischen Folgen des Klimawandels – auch für die Wirtschaft.

Hamburg/Berlin. Die Erwartungen werden wieder heruntergeschraubt: Die Europäische Union will nach einer Reihe von Rückschlägen beim Weltklimagipfel in Südafrika zumindest einen Fahrplan für einen Vertrag erreichen. Die führenden Wirtschaftsnationen müssten sich auf eine Frist für ein solches weltweites Abkommen verständigen, forderte EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard. Dies könne dann etwa 2015 der Fall sein. Als Bremser auf dem Weg dorthin prangerte Hedegaard vor allem die USA und China an. „Die EU ist bereit, in Durban ein globales Übereinkommen zu schließen, andere Wirtschaftsnationen wie die USA und China hingegen sind in Wahrheit dazu nicht bereit“, sagte sie. Nur wenn sich diese Staaten zu Einsparungen bei Treibhausgasen verpflichteten, sei die EU bereit, weitere Verpflichtungen zu übernehmen.

Kürzlich hat die Uno festgestellt, dass die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre schneller gestiegen ist als befürchtet. Das vergangene Jahr war zudem das wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen. Der Kyoto-Vertrag, der in erster Linie von den Europäern Reduzierungen verlangt, läuft im nächsten Jahr aus. Allerdings hat die EU bereits festgelegt, dass der Treibhausgas-Ausstoß bis 2020 um 20 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden muss. Sie würde über 30 Prozent verhandeln, wenn andere Länder wie die USA, China oder Indien ebenfalls Verpflichtungen eingingen.

In Durban beginnt in der nächsten Woche die Weltklimakonferenz. Nachdem es 2009 keinen Durchbruch in Kopenhagen gab und es auch 2010 im mexikanischen Cancun nur geringe Fortschritte gab, sind die Erwartungen an Durban gedämpft. Gerungen wird voraussichtlich um die Umsetzung von zugesagten Finanzhilfen der Industriestaaten an Entwicklungsländer, um sich an den bereits jetzt unvermeidlichen Klimawandel anzupassen. Für den Zeitraum 2010 bis 2012 hat die EU 7,2 Milliarden Euro zugesagt. Laut Hedegaard sind davon bis jetzt rund 4,7 Milliarden Euro mobilisiert worden.

Die Folgen von fehlendem Handeln können dramatisch sein: schmelzende Gletscher, steigende Meeresspiegel, Überschwemmungen und Dürre. Bis zum Jahr 2100 droht sich die Erde um mehr als drei Grad zu erwärmen, erklärten Regierungsexperten und Klimaforscher in Berlin. „Der Klimawandel schreitet nicht langsamer voran, als man gedacht hat“, sagte Wolfgang Lucht vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Nach aktuellen Prognosen könne das Ziel, die globale Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, daher nicht erreicht werden. „Bisher sind wir auf dem Weg, zwischen drei bis dreieinhalb Grad bis zum Ende des Jahrhunderts zu bekommen“, sagte Lucht. Um dieses Szenario zu verhindern, müsse in Durban „ein umfassendes Abkommen“ auf den Weg gebracht werden, sagte Dirk Messner vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU). „Ein Signal wäre es, festzulegen, bis wann die Trendumkehr bei den Emissionen erreicht werden soll“, fügte Messner hinzu.

Auch der Präsident des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, pocht auf verbindliche Zusagen der Teilnehmerstaaten: „Es muss der Abschluss eines neuen umfassenden und rechtsverbindlichen Klimaschutzabkommens auf den Weg gebracht werden, damit es auch nach 2012 weltweit verbindliche Ziele im Klimaschutz gibt.“

Der Klimaforscher Anders Levermann warnte vor unvorhersehbaren Folgen des Klimawandels für die Weltwirtschaft. Unwetter wie Überschwemmungen oder Hitzewellen könnten Versorgungs- und Transportwege oder Stromnetze lahmlegen und damit Kettenreaktionen auslösen, sagte der Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) der Nachrichtenagentur dapd.

Die Verletzbarkeit von Infrastruktur und Gesellschaft werde noch nicht ausreichend verstanden. „Wenn beispielsweise der Containerhafen von Rotterdam durch eine Sturmflut zerstört wird, dann hat das Auswirkungen auf der ganzen Welt“, sagte Levermann. Er verwies auch auf den neuen Bericht des Weltklimarats IPCC, der zeigt, dass das Risiko für Unwetter wie Überflutungen oder Hitzewellen mit dem voranschreitenden Klimawandel steigt. (dapd/dpa/abendblatt.de)