Lob und Kritik für das türkische Staatsoberhaupt. Özdemir für engere Anbindung der Türkei an die EU, CDU-Mann Polenz verteidigt Deutsch-Test

Berlin. Zum Auftakt des Staatsbesuchs des türkischen Präsidenten Abdullah Gül haben Deutschland und die Türkei ein neues Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und sein türkischer Kollege Mehmet Simsek unterzeichneten die Vereinbarung im Beisein von Gül und Bundespräsident Christian Wulff . Zuvor war Gül mit militärischen Ehren zu seinem dreitägigen Besuch in Deutschland empfangen worden. Am Nachmittag hält der türkische Präsident eine Rede in der Berliner Humboldt-Universität. Wichtigste Themen des Besuchs sind die Beziehungen der Türkei zur Europäischen Union und die Integration der in Deutschland lebenden Türken.

Vor dem Besuch hatte Gül das deutsche Einwanderungsrecht kritisiert. Bei den Gesprächen mit deutschen Spitzenpolitikern dürften auch die Spannungen zwischen der Türkei und Israel sowie die Umwälzungen in der arabischen Welt zur Sprache kommen. Am Dienstag besuchen Gül und Wulff Osnabrück, die Heimatstadt des Bundespräsidenten. Am Mittwoch reist der türkische Präsident nach Baden-Württemberg.

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir erhofft sich vom Besuch des türkischen Präsidenten Abdullah Gül in Deutschland eine Rückkehr der Türkei zum türkisch-europäischen Annäherungskurs. „Es ist gerade in diesen Tagen, wo es leider Probleme im Verhältnis zu Israel gibt und zudem ein Abkühlen des Verhältnisses mit der Europäischen Union festgestellt werden kann, umso wichtiger, dass dieser Staatsbesuch jetzt erfolgt“, sagte Özdemir der Nachrichtenagentur dapd.

Er fügte hinzu: „Gerade wenn man nicht möchte, dass sich die Beziehungen der Türkei und Israel weiter verschlechtern, oder auch Sorgen hat, dass die türkische Außenpolitik sich in gefährliches Fahrwasser begibt, ist es umso wichtiger, dass die Türkei eng an Europa angebunden wird.“ Da habe Deutschland eine herausgehobene Funktion. „Daher hoffe ich, dass dieser Besuch und die Gespräche etwas bewirken können“, betonte Özdemir.

Gül will bei einem Abstecher nach Baden-Württemberg den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) und Özdemir treffen. Der Grünen-Vorsitzende sagte dazu: „Wir wollen Herrn Gül natürlich auch sagen, dass wir glauben, dass die Zukunft der Türkei nicht in riesigen Staudammprojekten oder gar im Einstieg in die Atomenergie liegt. Die Zukunft auch der Türkei liegt vielmehr in der Erneuerbaren Energie und in der ökologischen Ausrichtung der Wirtschaft“, sagte der im baden-württembergischen Bad Urach geborene Politiker türkischer Herkunft. Und da schreite Baden-Württemberg nun besonders voran.

Nach missverständlichen Äußerungen der baden-württembergischen Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) zur Visa-Politik sagte der Grünen-Chef: „Damit da keine Zweifel entstehen: Der Visumszwang für die Türkei passt nicht mehr in unsere Zeit, er gehört aufgehoben.“ Wer auch immer da etwas anderes sage, sollte wissen, dass das weder der Meinung der Landesregierung Baden-Württemberg noch der Meinung der beiden Koalitionspartner entspreche.

Anlässlich des Deutschlandbesuchs von Gül hat der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU), die verpflichtenden Deutschtests für Einwanderer verteidigt und die Türkei zu einem besseren Umgang mit der christlichen Minderheit im Land aufgefordert. „Die Regelungen im Einwanderungsrecht sind richtig. Ohne ausreichende Sprachkenntnisse ist ein Leben in Deutschland schwer. Die Deutschtests für nachziehende Ehegatten sind unverzichtbar“, sagte Polenz der „Rheinischen Post“. (dapd/dpa/KNA)