Ein Konjunktur-Programm oder eines für die Wiederwahl des Präsidenten 2012? Die Sozialbeiträge sollen sinken. Das Ziel: Jobs.

Washington. Dass es US-Präsident Barack Obama bitterernst ist, machte schon der Ort der Rede deutlich: Beide Kammern des Kongresses hatte er zusammengerufen, um sein Jobprogramm zu präsentieren. Ein feierlicher Rahmen, sonst reserviert für die traditionelle Rede an die Nation zum Jahresbeginn. Doch rührt derzeit nichts stärker die Seele der Nation, nährt nichts mehr Amerikas Selbstzweifel als die scheinbar unendliche Jobmisere. Und gerade einmal 14 Monate vor der nächsten Präsidentenwahl bedroht nichts stärker eine Bestätigung Obamas im Amt als der düstere Arbeitsmarkt.

Nun soll es ein 450-Milliarden-Dollar Programm (321 Milliarden Euro) richten. Stark erinnert es an die erste, massive Finanzspritze über 787 Milliarden, mit der Obama schon kurz nach seinem Amtsantritt Anfang 2009 die krisengeschüttelte US-Wirtschaft wieder auf Kurs bringen wollte. Dass sie diesmal angesichts klammer Kassen um einiges magerer ausfällt, scheint Obamas Optimismus nicht zu trüben: „Es wird einer zum Stillstand gekommenen Wirtschaft Schub geben“, ist er sich sicher.

Einer der größten Batzen soll in den Taschen der Arbeitnehmer landen, indem Obama ihre Beiträge zur Sozialversicherung halbieren will. Die Beiträge der Arbeitgeber sollen auch schmelzen. Mit Steuergeschenken will das Weiße Haus Firmen die Einstellung von Langzeitarbeitslosen schmackhaft machen. Schulrenovierungen sowie Aufbau und Modernisierung der vielerorts maroden Infrastruktur des Landes sollen ebenfalls Amerikaner wieder in Lohn und Brot bringen. Wie viele, darüber schweigen sich die Wirtschaftsberater des Präsidenten und Obama selbst aus.

Denn ob das vorangegangene Programm wie angepeilt 3,5 Millionen Jobs tatsächlich erhalten hat oder schuf, ist höchst umstritten. Nach Modellrechnungen des unabhängigen Budget-Büros des Kongresses hatten durch die umfangreichste Konjunkturspritze in der Geschichte des Landes voriges Jahr zwischen durchschnittlich 1,9 und 4,8 Millionen Menschen einen Vollzeit-Job. Republikaner streiten um Kandidatur gegen Obama Selbst wenn es so war, reichte es kaum, die mehr als 8 Millionen Jobs wettzumachen, die sich während der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise in Rauch auflösten.

Arbeitsmarkt-Ökonom Gary Burtless vom renommierten Brookings-Institut in Washington jedenfalls hob eineinhalb Jahre nach der Verabschiedung von Obamas erstem „Stimulus-Paket“ den Daumen. „Jeder, der den Effekt des Pakets auf die Wirtschaftserholung und den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit vernünftig bewertet, würde ihm mindestens die Note 2+ geben“, meinte er seinerzeit. Doch half die Expertenmeinung nicht gegen den Groll der desillusionierten, von der Krise schwer gebeutelten Amerikaner. Gerade einmal ein gutes Drittel der US-Bürger glaubte im Sommer 2010, das Programm habe eine Verschlimmerung der Lage auf dem Jobmarkt verhindert. Zwei Drittel hingegen mäkelten, das Paket habe die Staatsschulden erhöht.

Kein Wunder, dass der Präsident bei der Vorlage seiner jüngsten Konjunkturspritze an der Bezahlbarkeit seiner Vorschläge keinen Zweifel aufkommen lassen wollte. Viel zu erfolgreich konnten ihn die Republikaner in die Geldverschwender-Ecke drücken, obwohl Obama sowohl die beiden Krisen im Irak und in Afghanistan und die desolate Wirtschaftslage wie auch viele ihrer Ursachen von seinem Vorgänger George W. Bush hinterlassen worden waren. „Alles in diesem Gesetz wird auch bezahlt werden können. Alles.“ Wie jedoch konkret, das soll ein Gremium aus Abgeordneten ermitteln, das die Staatsfinanzen ohnehin schon nach Stellen flöht, wo sich der Rotstift ansetzen lässt.

Noch gibt es viel zu viele Fragenzeichen, ob Obamas jüngstes Jobpaket Wirklichkeit wird, ob er die gegen zusätzliche Ausgaben aller Art allergischen Republikaner im Kongress überzeugen kann. Mancher Ökonom hält es indes für gut möglich, dass das Programm tatsächlich den erhofften Erfolg zeitigt – und den Amerikanern neue Stellen bringt, die blutarme Wirtschaft anschiebt und die Chancen erhöht, dass auch der Präsident 2012 seinen Job behält.

Um ganze zwei Prozentpunkte könnten die Maßnahmen das Wirtschaftswachstum nächstes Jahr anheben, meint der Chefökonom von Moody’s Analytics, Mark Zandi, laut Bloomberg. Die Arbeitslosenquote könnte um einen Prozentpunkt schmelzen. Doch angesichts der derzeit schwindelerregend hohen Arbeitslosenquote von 9,1 Prozent ist offen, ob sich Amerikas frustrierte Wähler davon beeindrucken lassen. Der republikanische Präsident des US-Repräsentantenhauses, John Boehner, hat nach der Rede von Präsident Obama verhalten auf die Pläne für ein Konjunkturprogramm reagiert. Der Vorschlag werde in Erwägung gezogen, doch Obama müsse auch die Anliegen der Republikaner beachten, sagte Boehner. „Ich hoffe, wir können zusammenarbeiten.“

Der republikanische Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, hatte Obamas Idee zur Schaffung neuer Arbeitsplätze bereits vor der Rede zurückgewiesen. „Das ist kein Plan für Jobs. Das ist ein Plan für seine Wiederwahl“, sagte McConnell. (dpa/dapd)