Die Opposition um el-Baradei ruft zum “Marsch der Millionen“ gegen Präsident Mubarak auf. Zur Kommunikation können die Demonstranten auf die sozialen Netze zählen.

Kairo. Der Dienstag steht in Ägypten ganz im Zeichen des "Marsch der Millionen": Eine Massendemonstration soll eine Woche nach Beginn der Proteste den ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak zum Rücktritt zwingen. Heute wollen etwa eine Million Menschen zum Präsidentenpalast marschieren. Zur Behinderung der Anreise der Regimegegner sei der Eisenbahnverkehr unterbrochen worden, berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira. Zur Unterbindung der Kommunikation will die Regierung das Mobiltelefonnetz kappen. Das berichteten Medien und Regierungsvertreter in der Nacht zum Dienstag. Ein weiterer ägyptischer Internetprovider, die Noor Group, sei am Montagabend von Netz genommen worden. Das teilte Renesys mit, ein amerikanisches IT-Unternehmen aus New Hampshire, das für Internet-Anbieter die Sicherheit und die Infrastruktur des Netzes überprüft. Das sei der letzte Internetprovider gewesen, der funktioniert habe, hieß es in einem Medienbericht.

Unterstützung kommt dagegen aus den USA. Der Internetgigant Google hilft bei der Kommunikation. Wie Google in seinem Firmenblog mitteilte, soll es möglich sein, per Telefonanruf zu twittern. Die Nachricht müsse als Voicemail bei drei eigens für diesen Service eingerichteten Rufnummern hinterlassen werden. Die Informationen würden dann mit der Markierung „egypt“ bei Twitter veröffentlicht. Eine Internet-Verbindung sei dafür nicht notwendig. Der Dienst sei zusammen mit Experten von Twitter entwickelt worden.

Privatpersonen, Organisationen, Unternehmen und Massenmedien nutzen Twitter als Plattform zur Verbreitung von Nachrichten. Soziale Netzwerke wie Twitter oder Facebook dienen den Demonstranten in Ägypten als wichtiges Kommunikationsmittel zur Organisation ihrer Proteste. Die Opposition hat für Dienstag erneut zu Massenstreiks gegen die Regierung aufgerufen.

Ungeachtet der Ausgangssperre gingen die Proteste auch in der Nacht weiter. Wie Al-Dschasira berichtete, hielten sich Hunderte von Demonstranten auf dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo auf. Mubarak beauftragte seinen Vizepräsidenten Omar Suleiman, mit der Opposition zu sprechen. Das Büro Suleimans sagte dem US-Nachrichtensender CNN, dass erste Kontakte zur Opposition geknüpft worden seien. Es gab nach CNN-Angaben aber keine Hinweise, welche Vorschläge gemacht worden seien. Auch lagen keine Reaktionen von Oppositionellen vor. Zudem fehlten Angaben über die Gesprächspartner.

Die USA haben unterdessen vor den geplanten neuen Massenprotesten zu Zurückhaltung aufgerufen. Die US-Regierung hoffe, dass der „Marsch der Millionen“ ruhig und ohne Gewalt verlaufen werde, teilte das Weiße Haus am Montag mit. Die bisher von den Sicherheitskräften gezeigte Zurückhaltung sei „erfreulich“. Angesichts der Protestwelle in Ägypten forderten die USA in den vergangenen Tagen immer wieder einen „geordneten Übergang“ zu einer Demokratie. Den Rücktritt von Staatschef Husni Mubarak, wichtiger Verbündeter der USA in der arabischen Welt, verlangte Washington bislang nicht.

Der frühere US-Botschafter in Ägypten, Frank Wisner, wurde als Sondergesandter nach Kairo geschickt. Wie das Außenministerium in Washington mitteilte, soll der pensionierte Diplomat Gespräche mit hochrangigen Vertretern der ägyptischen Regierung führen und der Forderung nach mehr Demokratie Nachdruck verleihen. Anschließend werde Wisner Präsident Barack Obama über die Situation in Ägypten Bericht erstatten.

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Das ägyptische Militär hatte im Vorfeld der Massendemonstration signalisiert, dass es nicht auf friedliche Demonstranten feuern werde. „Wir erkennen die Legitimität der Forderungen der Bürger an“, hieß es in der Erklärung der Militärführung, die am Montagabend veröffentlicht wurde. „Wir werden keine Gewalt gegen die Bürger einsetzen.“

Auch in Tunesien hatte die Armee im Gegensatz zur Polizei bei den Protesten gegen das Regime von Ben Ali Zurückhaltung geübt und damit die Achtung der Menschen gewonnen. Friedensnobelpreisträger Mohammed el-Baradei bekräftigte seinen Führungsanspruch innerhalb der Oppositionsbewegung. Angehörige der Opposition erklärten jedoch, in dieser Frage gebe es Differenzen. El-Baradei will in eine Regierung der nationalen Einheit neben einem Vertreter der Muslimbruderschaft zwei Richter, einen Militär und diverse Oppositionspolitiker holen.

Mubarak gab seinem neuen Ministerpräsidenten Ahmad Schafik am Montag die Order, angekündigte demokratische Reformen umzusetzen. In dessen Kabinett finden sich allerdings nur etwa ein Drittel neue Minister, wie bei der Vereidigung deutlich wurde. Treue Gefolgsleute des Regimes blieben im Amt. US-Präsident Barack Obama rief zu einem friedlichen „Übergang“ in Ägypten auf. Nach Angaben seines Sprechers Robert Gibbs wollen die USA „einen geordneten Übergang zu einer Regierung“ unterstützten, „die auf die Bestrebungen des ägyptischen Volkes eingeht“.

Bundeskanzlerin Angela Merkel gab bei einem Besuch in Israel zu erkennen, dass sie die von Mubarak eingeleiteten Maßnahmen zur Beilegung der Unruhen für nicht ausreichend hält. Vor allem der Dialog der ägyptischen Regierung mit den protestierenden Menschen reiche nicht aus, sagte Merkel. Die EU will die Ägypter in ihrem Streben nach mehr Demokratie unterstützen, hält sich in der Kontroverse um Mubarak aber weitgehend zurück. (dpa/afp/rtr)