Kanzlerin Merkel hat mit den Energiebossen im Kanzleramt den künftigen EU-Energiekurs beraten. Merkel weist Ängste zurück, bei der Ökostrom-Förderung gebe es einen großen Schnitt. Die Opposition und die Erzeuger von Sonnen- und Windstrom sind aber aufgeschreckt.

Berlin. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Befürchtungen zurückgewiesen, dass in Kürze tiefe Einschnitte bei der deutschen Ökoenergie-Förderung anstehen. Bei einem Essen im Kanzleramt mit den Vorstandsvorsitzenden führender Energie- und Industrieunternehmen stand am Mittwochabend der Energie-Gipfel am 4. Februar in Brüssel im Fokus. Laut Regierungssprecher Steffen Seibert handelte es sich nur um einen Gedankenaustausch.

Themen waren vor allem Energieeffizienz, der Netzausbau und der Energiebinnenmarkt. Es habe Einigkeit geherrscht, dass die von EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) vorgelegten Vorschläge „im Wesentlichen eine gute Grundlage für eine ehrgeizige, nachhaltige Energiepolitik sind“, sagte Seibert nach dem Treffen.

Die SPD und die Grünen fürchten, dass über die EU-Schiene mittels einer Harmonisierung das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ausgehebelt werden könnte. Da es eine üppige Förderung vorsieht - allein 2011 gibt es geschätzte 13,5 Milliarden Euro – könnte eine Angleichung zu einem Rückgang bei der Installation von Windrädern oder Solaranlagen führen.

EU-Energiekommissar Oettinger will neben einer Energiestrategie demnächst aber auch die nationalen Fördersysteme für den Ökoenergieausbau anpassen. Dadurch müssten die EEG vereinbarten Gelder auf einen EU-einheitlichen Satz zurückgefahren werden. Auch Förderobergrenzen wären möglich – in Deutschland können bisher unbegrenzt Windräder oder neue Solaranlagen zugebaut werden. Die Einspeisevergütungen für den Ökostrom zahlen alle Verbraucher über den Strompreis mit. Auch den Konzernen ist eine Förderharmonisierung ein wichtiges Anliegen.

Das sei ein ganz normales Gespräch, hatte Seibert im Vorfeld des Spitzentreffens betont. Für den Energieinfrastrukturausbau sieht die EU-Kommission einen Investitionsbedarf von 200 Milliarden Euro bis 2020. Besonders der schleppende Netzausbau liegt den Unternehmen am Herzen.

Den Energiekonzernen und der Industrie geht der Ökoenergieausbau zu schnell voran – schon jetzt müssen Atomkraftwerke wegen des Einspeisevorrangs für Sonnen- und Windstrom heruntergeregelt werden. Die Konzerne stützen Oettingers Linie. Zudem fehlen allein in Deutschland 3600 Kilometer Höchstspannungsleitungen, wodurch es – bei immer mehr Ökostrom – in Zukunft zu Netzproblemen kommen könnte.

Seibert betonte, es handele sich keineswegs um ein Geheimtreffen. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) waren nicht eingeladen, aber über das Treffen vorab informiert. Auf die Frage, warum keine Vertreter aus der Öko-Branche dabei waren, sagte Seibert, dass auch die großen Energieversorger stark im Bereich der erneuerbaren Energien engagiert seien.

Eingeladen waren unter anderem die Vorstandschefs der vier Stromerzeuger Eon, RWE, EnBW und Vattenfall, Johannes Teyssen, Jürgen Großmann, Peter Villis und Tuomo Hatakka. Auch die Chefs von BASF, Siemens und Bosch – Jürgen Hambrecht, Peter Löscher und Franz Fehrenbach – sowie der Bundesverband der Deutschen Industrie hatten von Merkel eine Einladung bekommen. Zudem bat sie Netzbetreiber hinzu.

Oettinger setzt sich für eine „sanfte Landung“ des deutschen EEG ein. Künftig solle Solarstrom dort produziert werden, wo die meiste Sonne scheint. Aber auch für einen stärkeren Stromtransport zwischen den EU-Staaten fehlen tausende Kilometer an Stromleitungen.

Mit Blick auf das Treffen forderte der Chef des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), Dietmar Schütz, Röttgen zum Handeln auf. „Ich möchte Sie im Namen der Erneuerbare-Energien-Branche dringend darum bitten, sich persönlich (...) gegen eine EU-Harmonisierung der nationalen Fördersysteme auszusprechen und aktiv dagegen vorzugehen“, schrieb Schütz an Röttgen. In dem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Schreiben heißt es, eine aktuelle Analyse komme sogar zu europaweiten Mehrkosten von bis zu 90 Milliarden Euro. Zugleich seien Arbeitsplätze und Unternehmen einer Zukunftsbranche gefährdet.

Den Profiten der Energiekonzerne werde mit den Plänen freier Lauf gelassen, monierte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. Ihre Parteikollegin Bärbel Höhn sagte: „Nachdem die Bundesregierung die Laufzeitverlängerung durchgeboxt hat, versucht man jetzt über die EU das deutsche EEG zu schleifen“. So werde der Ausbau der Erneuerbaren insgesamt gebremst und die Gewinnmargen der Energiekonzerne nach oben getrieben. Die Umweltschützer von Greenpeace sprachen von einem „Schlachtplan gegen Energie aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasser“.