Guido Westerwelles Büroleiter, Helmut Metzner, lieferte der US-Botschaft Interna. Die SPD fordert eine Klarstellung des FDP-Chefs.

Berlin. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat sich schockiert über die Nachricht gezeigt, dass sein Büroleiter im Thomas-Dehler-Haus, Helmut Metzner, Informationen aus den Koalitionsverhandlungen an die US-Botschaft berichtet hatte. Der Mitarbeiter habe aber "weder vertrauliche Geheimnisse ausgeplaudert noch gegen Gesetze verstoßen", sagte er der "Frankfurter Rundschau".

Zuvor hatte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, Westerwelle aufgefordert, sein Wissen über Metzners Informanten-Tätigkeit offenzulegen. Er gehe davon aus, dass die Zusammenarbeit auch fortgesetzt worden sei, als Westerwelle Außenminister und Metzner Büroleiter gewesen sei, sagte Oppermann dem Abendblatt. "Hier wären dann auch höchstsensible Belange der Bundesrepublik Deutschland betroffen. Dies gibt Anlass zur Sorge." Nach Ansicht Oppermanns trägt Westerwelle eine Mitverantwortung. "Wenn jemand aus dem höchstpersönlichen Umfeld Interna weitergibt, so muss sich das der jeweilige Chef zurechnen lassen. Zwar hat der Mitarbeiter hier mit einem befreundeten Staat zusammengearbeitet. Höchst erklärungsbedürftig ist der ganze Vorgang aber dennoch." Nach der scharfen Kritik aus der Koalition an seiner Person geht der amerikanische Botschafter in Deutschland, Philip Murphy, in die Offensive.

"Kurzfristig gesehen ist dies eine sehr unangenehme Situation", räumte Murphy im Abendblatt ein, "aber bezüglich der langfristigen Auswirkungen wird sie völlig übertrieben dargestellt." Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnte Forderungen nach einem Abzug des Diplomaten ab. Das deutsch-amerikanische Verhältnis sei belastbar und wichtig, sagte Regierungssprecher Steffen Seifert.

Murphy betonte: "Menschen sind wütend, ich bin wütend, ich habe mich nach Kräften für diese Woche entschuldigt und werde das auch weiterhin tun. Einige Menschen wurden verletzt, darunter Menschen, für die ich persönlich Zuneigung empfinde. Aber wir kehren zu unserer Arbeit zurück - auch ich habe das bereits getan - weil wir das müssen." In den von WikiLeaks veröffentlichten Depeschen der US-Botschaft in Berlin nach Washington hatte sich Murphy vor allem über Außenminister Guido Westerwelle (FDP) unvorteilhaft geäußert ("Aggressiv, wenig kompetent, eitel"). Murphy sagte am Freitag auch: "Es war eine entsetzliche Woche, es war eine sehr, sehr harte Woche, daran gibt es nicht den geringsten Zweifel."

In den schwarz-gelben Regierungsfraktionen und vor allem der FDP gibt es inzwischen die Besorgnis, ob Murphy noch das volle Vertrauen seiner deutschen Gesprächspartner genießt. Mehrere Abgeordnete kritisierten, Murphy sei kein vertrauensvoller Gesprächspartner mehr. Auch in der Union gibt es Zweifel: Der stellvertretende außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Karl-Georg Wellmann, wies zwar die Abzugsforderung zurück. Er sagte aber: "Es ist Sache der USA zu entscheiden, wie und mit wem sie angesichts dieser Berichte ihre Aufgaben in Deutschland effektiv erledigen wollen."

Murphy sagte, er habe von den Äußerungen aus der FDP gehört. "Aber ich gehe nirgendwo hin. Ich stimme ihnen nicht zu, habe aber beiden geschrieben. Ich respektiere ihren Zorn, stimme ihren Kommentaren aber nicht zu. Ich mache ihnen nicht zum Vorwurf, dass sie außer sich sind, denn ich bin es auch. Ich habe beiden angeboten, gern mit ihnen privat zu reden, sobald sich der Staub gelegt hat."

Auf die Frage, ob echter politischer Schaden in den Beziehungen entstanden sei, antwortete Murphy sehr bestimmt: "Nein, das glaube ich nicht. Kurzfristig gibt es zweifellos Leute, deren Gefühle verletzt wurden oder die empört sind - darunter auch ich, was die letztere Kategorie anbelangt - und ich kann ihnen deswegen keinen Vorwurf machen. Aber wir haben schon Schlimmeres überstanden."

Murphy wiederholte, dass er "total wütend" sei - "auf WikiLeaks und auf die Person, die alles enthüllt hat. Sie haben die USA mit diesen Enthüllungen angegriffen; WikiLeaks definiert den Begriff 'Verantwortungslosigkeit' neu und hat die Welt zu einem gefährlicheren, komplizierteren Ort gemacht, der eigentlich schon kompliziert genug ist."

Unterdessen hat die Enthüllungsplattform zunehmend Schwierigkeiten im Internet. WikiLeaks war seit Freitagmorgen nicht mehr unter der bekannten Webadresse wikileaks.org erreichbar. Sie war vom zuständigen US-Dienstleister gelöscht worden. Die Plattform wich auf die Adresse wikileaks.ch aus. Am Abend aber war auch wikileaks.ch nicht mehr erreichbar.