Zum dritten Mal innerhalb von drei Jahren wählt am Sonntag (12.00 Uhr) eine Bundesversammlung im Berliner Reichstagsgebäude ein neues Staatsoberhaupt.

Hamburg/Berlin. Für Joachim Gauck wird sich das Leben noch einmal dramatisch ändern, wenn er an diesem Sonntag zum Bundespräsidenten gewählt wird. War der 72-Jährige in den vergangenen Jahren vor allem als Vortragsreisender unterwegs, der sich seine Zeit frei einteilen konnte, muss er sich bei einem Wechsel ins höchste Staatsamt vielen Zwängen unterwerfen und vielen Ansprüchen gerecht werden. Dabei geht es nicht nur um die großen politischen Linien, sondern auch um die Veränderungen im Alltag. Ein Überblick:

Wo wird der Bundespräsident wohnen?

Üblicherweise wohnt das Staatsoberhaupt in der Präsidentenvilla in Berlin-Dahlem. Das Haus steht bereits leer, Christian Wulff und seine Familie sind dort nur wenige Tage nach seinem Rücktritt ausgezogen. Im Schloss Bellevue gibt es keine Wohnung mehr. Gauck lebt bislang in einer Altbauwohnung in Berlin-Schöneberg. Zu seinen Plänen will er vor der Wahl nichts sagen. Seiner Friseurin in seinem Kiez soll er aber bereits vor der Bundesversammlung 2010 versprochen haben, dass er in jedem Fall weiter zum Haareschneiden kommen werde.

Was macht Gaucks Lebensgefährtin Daniela Schadt?

Die 52-Jährige will künftig nicht mehr als Journalistin arbeiten, sondern von Nürnberg nach Berlin ziehen und sich neue Aufgaben suchen. „Es gibt aber noch keine konkreten Entscheidungen“, sagte sie kürzlich der Nachrichtenagentur dpa. Bisher war Schadt Leitende Politikredakteurin bei der „Nürnberger Zeitung“. Interessant wird, welche Rolle sie für sich finden wird. Bislang waren alle First Ladys Schirmherrinnen des von Elly Heuss-Knapp gegründeten Müttergenesungswerks und ehrenamtlich engagiert.

Wollen Joachim Gauck und Daniela Schadt heiraten?

Dazu müsste sich Gauck erst einmal von seiner Frau Gerhild scheiden lassen, mit der er seit 1959 verheiratet ist und vier Kinder hat. Seit 1991 leben beide getrennt, seit dem Jahr 2000 ist Gauck mit Daniela Schadt zusammen. „Er macht sich Gedanken über eine Hochzeit, aber er hat wohl noch keine Entscheidung gefällt“, sagte sein Sohn Christian kürzlich der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. „Hierzulande dürfte seine Art des Zusammenlebens heute nun wirklich kein Problem mehr sein, aber als Präsident kommt er auch in Länder, in denen andere moralische Maßstäbe gelten.“

Deutschland bekommt am Sonntag ein neues Staatsoberhaupt

Zum dritten Mal innerhalb von drei Jahren wählt am Sonntag (12.00 Uhr) eine Bundesversammlung im Berliner Reichstagsgebäude ein neues Staatsoberhaupt.

Union, SPD, FDP und Grüne haben den 72-jährigen Joachim Gauck zum Nachfolger des am 17. Februar zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff nominiert. Die Wahl des früheren Leiters der Stasi-Unterlagenbehörde gilt damit als sicher. Für die Linke geht die als Nazi-Jägerin bekannt gewordene Beate Klarsfeld ins Rennen.

Der 15. Bundesversammlung gehören 1.240 Wahlleute an, die 620 Bundestagsabgeordneten und eine gleich große Anzahl von Abgesandten der Länder. Die einzige Aufgabe der größten parlamentarischen Versammlung Deutschlands ist es, das Staatsoberhaupt zu wählen. Die Wahl findet geheim und ohne Aussprache statt.

Am 23. Mai 2009 hatte die 13. Bundesversammlung Köhler für eine zweite Amtszeit gewählt. Nach dessen überraschenden Rücktritt musste die 14. Bundesversammlung am 30. Juni 2010 zusammentreten. Damals setzte sich der von Union und FDP nominierte Wulff im dritten Wahlgang gegen den damaligen rot-grünen Kandidaten Gauck durch.

Die Mehrheit der Deutschen (59 Prozent) traut dem parteilosen Bundespräsidentenkandidat Joachim Gauck zu, das Vertrauen der Bürger in die Politik zurückgewinnen zu können. Nur 33 Prozent sind der Ansicht, dass dem früheren DDR-Bürgerrechtler dies nicht gelingen wird, ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap im Auftrag des ARD-„Morgenmagazins“.

Kurz vor der Wahl wurde erneut Kritik an Gauck laut, der stets den Wert der Freiheit betont. Der SPD-Politiker Egon Bahr drängte den designierten Bundespräsidenten zu einer stärkeren Betonung des Themas Gerechtigkeit. Er gehe davon aus, dass Gauck seine Einstellung zu Freiheit und Gerechtigkeit sehr bald klären werde, sagte Bahr in der Sendung „Tacheles“ des Deutschland Radio Kultur.

Der Linke-Fraktionschef im Saarland, Oskar Lafontaine, warf Gauck vor, er habe „den falschen Freiheitsbegriff“. In einer Zeit starker sozialer Verwerfungen müsse „an der Spitze des Staates eine Leitfigur stehen, die weiß, dass Freiheit nur dann möglich ist, wenn das soziale Leben ausreichend gesichert ist“.

Zugleich verteidigte Lafontaine die frühere Zusammenarbeit der Linken-Kandidatin Klarsfeld mit der DDR-Führung. Sie sei von vielen Staaten unterstützt worden, als es darum ging, Nazi-Größen ausfindig zu machen„, sagte er der Tageszeitung “Die Welt" und betonte: “In der DDR gab es die entscheidenden Akten."