Der Streit über die geplante Finanztransaktionssteuer spaltet die Regierung. Kanzlerin prescht vor. Abendblatt.de beantwortet wichtigste Fragen.

Berlin. Die Zeit der Rücksichtnahme ist vorbei. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat offenbar nur noch wenig Lust, auf die Befindlichkeiten der FDP einzugehen, und treibt ihre Pläne für eine Finanztransaktionssteuer voran - trotz der vehementen Weigerung der Liberalen, einer solchen Abgabe zuzustimmen. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet von einem Papier der deutschen und französischen Regierung zur Vorbereitung des EU-Gipfels Ende Januar. Darin versichert die Kanzlerin, dass sie den Vorschlag der EU-Kommission unterstützt, die geplante Abgabe in Europa einzuführen. Ein Affront für die FDP. Doch warum ist die Finanztransaktionssteuer so umstritten? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Was ist die Finanztransaktionssteuer?

Die Steuer sieht eine Abgabe auf den Handel mit Aktien, Anleihen und anderen Finanzpapieren vor. Damit sollen auch die Banken an den Kosten der Krise beteiligt werden - zumal sie in den vergangenen Jahren reihenweise mit Steuergeldern gerettet werden mussten. Die EU-Kommission schlägt vor, dass die Umsätze mit Aktien und Anleihen ab 2014 mit 0,1 Prozent besteuert werden. Für Derivate sollen 0,01 Prozent fällig werden.

Was würde das dem Fiskus bringen?

Die EU-Kommission rechnet mit Einnahmen mit bis zu 57 Milliarden Euro pro Jahr - allerdings unter der Voraussetzung, dass sich alle 27 Euro-Länder an der Steuer beteiligen. Noch nicht geklärt ist, wer das Geld dann bekommen soll - die EU, die einzelnen Mitgliedstaaten oder beide Ebenen.

+++Das Treffen ist mehr als ein Teekränzchen+++

Wer wäre von der Abgabe betroffen?

Ziel ist es, vor allem jene überbordenden Spekulationsgeschäfte einzudämmen, die als Mitverursacher der Finanzkrise gelten. Im Zentrum steht dabei der durch Computer beschleunigte Hochfrequenzhandel, bei dem in kürzester Zeit gekauft und verkauft wird - bis zu 10 000 Transaktionen sind in nur einer Sekunde möglich. Kritiker sehen in diesen rasanten Spekulationen eine große Gefahr, da sie schnell zu einer falschen Bewertung von Aktien oder Währungen führen und sogar Kursstürze auslösen können. An der deutschen Börse machen die Geschäfte 40 Prozent des Handels aus. Selbst bei einer Besteuerung von 0,1 Prozent kommt da einiges zusammen. Bei Kleinanlegern fällt die Abgabe deutlich weniger ins Gewicht. Möglich ist auch, dass Privatleute und kleine Unternehmen ganz von der Steuer ausgenommen werden.

Wer will die Steuer?

Treibende Kraft ist Frankreich mit der Unterstützung von Deutschland und anderen Euro-Ländern. Größter Gegner ist Großbritannien, auch Tschechien lehnt die Steuer ab. In Berlin verläuft die Konfliktlinie zwischen der Union und der Opposition auf der einen Seite und der FDP auf der anderen Seite. Während die Kanzlerin und auch SPD, Grüne und Linke bereit sind, die Abgabe wegen der Weigerung der Briten notfalls nur in den 17 Euro-Ländern einzuführen, würden die Liberalen nur bei einer EU-weiten Einführung mitmachen.

Was sagen die Kritiker?

Sie befürchten, die Geschäfte würden durch die Steuer nicht eingedämmt, sondern nur verlagert: Banken und Anleger könnten einfach auf andere Finanzplätze außerhalb der Euro-Zone ausweichen. Das wäre ein veritabler Wettbewerbsnachteil. Vor allem Großbritannien fürchtet eine Gefährdung Londons als wichtigsten Finanzplatz Europas. Doch hier hat die EU-Kommission nachgebessert und das sogenannte Ansässigkeitsprinzip entwickelt: Demnach wäre die Steuer nicht vom Handelsort abhängig, sondern vom Sitz des Finanzakteurs. Etwa eine Bank mit Sitz in Deutschland müsste dann umziehen, um die Steuer zu vermeiden. Ein großer Aufwand, die Hürden zur Umgehung der Abgabe sind hoch. Experten mahnen allerdings, den Erfindungsreichtum der Finanzakteure in diesem Punkt nicht zu unterschätzen.

Kann sich die Kanzlerin durchsetzen?

In Berlin sind die Fronten verhärtet. Auch wenn einige Liberale wie der schleswig-holsteinische Fraktionschef Wolfgang Kubicki die Steuer unterstützen, bleibt die FDP-Spitze unnachgiebig. Wenn Merkel wollte, könnte sie eine Entscheidung im Bundestag auch ohne den Koalitionspartner herbeiführen - die Stimmen der Opposition sind ihr sicher. Das allerdings würde den ohnehin sehr fragilen Koalitionsfrieden massiv beschädigen. Trotzdem wird deutlich, dass der Kanzlerin langsam die Geduld ausgeht. Sie steckt in einem Dilemma: Entweder düpiert sie die FDP oder Frankreichs Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy. Im Moment sieht es danach aus, dass es auf Ersteres hinauslaufen wird. Auf ein Einlenken der FDP wird sie vorerst nicht hoffen können.