Komorowski hat die absolute Mehrheit hat gegen Kaczynski laut Prognosen verfehlt. Eine Stichwahl am 4. Juli ist wahrscheinlich.

Warschau. Bei der Präsidentenwahl in Polen liegt Parlamentspräsident Bronislaw Komorowski von der proeuropäischen Bürgerplattform in Führung. Der 58-Jährige verfehlte laut Prognosen aber die absolute Mehrheit. Deshalb wird es am 4. Juli eine Stichwahl gegen den Zweitplatzierten geben, den nationalkonservativen Politiker Jaroslaw Kaczynski, den Zwillingsbruder des tödlich verunglückten Präsidenten Lech Kaczynski. Die übrigen acht Kandidaten landeten weit abgeschlagen.

Prognosen sahen Komorowski zwischen 40,7 und 45,7 Prozent und Kaczynski zwischen 33,2 und 35,8 Prozent. Dritter wurde der Mitte-links-Kandidat Grzegorz Napieralski mit 13,4 beziehungsweise 14 Prozent der Stimmen.

Dessen Wähler dürften nun bei der Stichwahl zur Zünglein an der Waage werden. Napieralski erklärte, er werde herumreisen und sich mit seinen Anhängern besprechen, bevor er eine Wahlempfehlung für einen der beiden Kandidaten ausspreche. Nach Ansicht von Beobachtern dürften seine Wähler mehrheitlich zu dem liberalen Komorowski wandern, mit dem sie in Fragen wie Gleichberechtigung von Frauen und Rechte für Homosexuelle mehr Gemeinsamkeiten haben als mit dem konservativen Kaczynski. Die Wahl war wegen des Todes von Präsident Lech Kaczynski notwendig geworden.

Komorowski erklärte am Abend vor Anhängern in Warschau, er sei „glücklich und erfüllt“, dass er das Vertrauen und die Unterstützung von Millionen Polen habe. Dann stellte er einen Bezug zwischen seiner politischen Situation und der Fußball-WM in Südafrika her. „Im Leben wie im Fußball ist die Verlängerung am schwierigsten. Das dürfen wir nicht vergessen. Lasst uns all unsere Kräfte für das große Finale am 4. Juli mobilisieren“, sagte er.

Kaczynski dankte seinen Anhängern und auch seinen Gegnern, die im Wahlkampf auf scharfe Töne verzichtet hatten. Diese Wahl „ist keine normale Wahl gewesen, sondern das Ergebnis einer riesigen Katastrophe, eines riesigen Unglücks, einer riesigen Tragödie“, sagte der Zwillingsbruder des verunglückten Staatsoberhaupts.

Komorowski will in fünf Jahren den Euro einführen und die Reform von Wirtschaft und Arbeitsmarkt in Polen vorantreiben. Den Afghanistan-Einsatz der polnischen Streitkräfte will er beenden. Kaczynski, der am Freitag 61 Jahre alt wurde, wirbt dagegen für einen starken Staat und katholische Werte, einer Reform der Sozialsysteme steht er kritisch gegenüber. Einen festen Zeitplan für die Euro-Einführung lehnt er ab.

Überschattet wurde der gesamte Wahlkampf von dem Flugzeugunglück im russischen Smolensk, bei dem neben Präsident Lech Kaczynski auch dessen Frau und 94 weitere Repräsentanten des polnischen Staates ums Leben kamen, und vom jüngsten Hochwasser von Weichsel und Oder. Zur Wahl aufgerufen waren gut 30 Millionen Stimmberechtigte.

POLEN WÄHLT NACHFOLGER VON LECH KACZYNSKI

Polen ist das einzige EU-Land, dass die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise ohne Rezession durchstanden hat. Der Präsident wird für fünf Jahre gewählt. Viele seiner Pflichten sind vorrangig symbolisch. Doch hat er das Recht, sein Veto gegen Gesetze einzulegen und hat als Oberbefehlshaber der Streitkräfte ein gewichtiges Wort bei Auslandseinsätzen mitzureden.