Am Ende blieb nur noch Frank-Walter Steinmeier übrig. Die SPD-Linke hat nach der Wahlschlappe die Macht in der Partei übernommen.

Berlin. „Ich will mithelfen, dass wir uns in den nächsten Wochen in geordneter Weise aufstellen“, sagte Franz Müntefering am Montag. Da glaubte der SPD-Chef noch, den politischen Sturm kontrollieren zu können, der nach dem Wahldesaster vom Sonntag in der Partei losbrach. Am Dienstag war sein Plan schon Makulatur und Münteferings Rolle in der Partei Geschichte. Denn dieser Sturm fegte nun nicht nur Müntefering, sondern fast die gesamte SPD-Spitze hinweg. Doch zeichnet sich bereits eine neue Parteiführung ab – mit Sigmar Gabriel als künftigem SPD-Hoffnungsträger.

Wie stets hatte der alte Parteistratege Müntefering versucht, seinen Entwurf einer neuen SPD den Parteigremien überzustülpen, indem er rasch für vollendete Tatsachen sorgte. Als der Wahlkampf noch nicht einmal beendet war, wurde verbreitet, dass Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier an diesem Dienstag den Fraktionsvorsitz übernehmen werde. Den Parteivorsitz wollte Müntefering wohl zunächst behalten, um ihn dann später ebenfalls an Steinmeier abzugeben.

Doch dieser Plan ging nicht auf. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit und weitere SPD-Granden forderten einer nach dem anderen einen Neuanfang. Auf Fragen nach der Zukunft Münteferings gab es allseits nur Schweigen, der Parteichef wurde zum Getriebenen, musste eingestehen, dass seine Position an der Parteispitze nicht mehr haltbar war. „Sie können davon ausgehen, dass sie nahe an der Wahrheit sind“, sagte er am Montag schließlich zögernd auf eine Journalistenfrage nach seinem Rückzug.

Unterdessen bereitete der innerparteilich eher links stehende Berliner Landesverband den offenen Aufstand vor. Die SPD müsse „der Entfremdung zwischen Parteiführung und Mitgliedschaft aktiv entgegenwirken“, hieß es in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung des Landesvorstands und weiter: „Wesentliche Akteure der SPD wie Steinmeier, Steinbrück und Müntefering sind untrennbar mit der Agenda-Politik ab 2003 und der abgewählten großen Koalition verbunden.“ Im Klartext: Sie sollen ausgewechselt werden.

Vor und während der ersten Sitzung der neuen Fraktion am Dienstag ging es dann zur Sache: Erst kündigte Generalsekretär Hubertus Heil seinen Rückzug an, dann Parteivize Peer Steinbrück, schließlich verzichtete Steinmeier auf eine Bewerbung um den Parteivorsitz – wohl auch, um seine Wahl an die Fraktionsspitze nicht zu gefährden, die von einigen Parteilinken inzwischen auch schon in Frage gestellt wurde. Mit 88 Prozent erzielte er immerhin als neuer Oppositionsführer ein respektables Ergebnis. Zu diesem Zeitpunkt hat – als letzter – auch Müntefering bekanntgegeben, dass er auf dem Parteitag im November nicht mehr antreten wird.

Hinter den Kulissen wurde da zwischen den Parteiflügeln bereits kräftig um die Mannschaft gefeilscht, die die SPD aus der tiefsten Krise ihrer Nachkriegsgeschichte führen soll. Wowereits Name wird genannt, dann aber immer häufiger der von Gabriel als künftigem Parteichef. Die Parteilinke soll demnach mit Andrea Nahles die Generalsekretärin stellen, dazu Wowereit wohl als Parteivize, ebenso NRW-Landeschefin Hannelore Kraft und der bisherige Arbeitsminister Olaf Scholz. Fraktionschef Steinmeier komplettiert das sich abzeichnende Team und ist damit auch für die Kanzlerkandidatur 2013 noch nicht ganz aus dem Rennen.

Zuvor steht aber noch die inhaltliche Neuaufstellung der SPD auf der Tagesordnung. Aus Berlin, aber auch aus der Bremer SPD, gibt es bereits deutliche Angriffe auf die Rente mit 67, die viele zusammen mit den Hartz-Reformen für das Elend der SPD verantwortlich machen. Und auch im Verhältnis zur Linkspartei dürfte es einen neuen Ansatz geben. „Das Tabu muss weg, das macht keinen Sinn mehr“, ist Wowereit schon einmal vorgeprescht. Nicht nur er weiß, dass die SPD auf absehbare Zeit ohne rot-rote oder rot-rot-grüne Optionen weder im Bund noch in den Ländern eine Perspektive auf die Regierungsführung hat.