Berlin. Ein Phantom macht Wahlkampf: der Bundestagsabgeordnete Jakob Maria Mierscheid.

Noch bevor Bundespräsident Horst Köhler überhaupt entschieden hat, ob er dem Mißtrauen in den rot-grünen Fraktionen gegen den Kanzler trauen und damit Neuwahlen ansetzen kann, haben Unbekannte gestern morgen um 4.49 Uhr die Meldung lanciert, der langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete Mierscheid habe sein Parteibuch zurückgegeben und trete zur Linkspartei über. Wegen Hartz IV.

Die Nachrichtenagenturen reagierten elektrisiert. Bald meldete sich auch Mierscheid. Er dementierte. Er bleibe Sozialdemokrat, ließ der 72jährige wissen. Auch die Fraktion widersprach den Wechsel-Gerüchten.

Wer aber steckte dahinter? Die PDS, die sich mit noch einem Prominenten schmücken wollte?

Nein, ganz falsch. Wann immer der Name Mierscheid auftauchte, waren politische Scherzkekse die Urheber. Der angeblich am 1. März 1933 in Morbach/Hunsrück geborene Schneidermeister a. D. ist das Produkt einer weinseligen Abgeordnetenrunde, die um 1979 herum einen fiktiven Kollegen erfand, der die Mühen des Hinterbänklers anschaulich machen soll. Bekannt ist Mierscheid für seine Beiträge zur Pflege der geringelten Haustaube in Mitteleuropa. Einen Rüffel zog er sich von Müntefering zu, als er als "Unwort des Jahres" Ulla Schmidt vorgeschlagen hatte. Auf solche Mitstreiter kann der Bundestag nicht verzichten.