Schröders Klausur im Palais Schaumburg

Andreas Thewalt

Berlin

Es ist ein wenig wie eine kleine nostalgische Reise zurück in die Vergangenheit. Seit Freitagabend ist das Bundeskabinett in Bonn im historischen Palais Schaumburg in Klausur, das von 1949 bis 1976 Sitz des Bundeskanzleramtes war. Schröder und die 13 Bundesminister sowie die Partei- und -Fraktionsvorsitzenden wollen vor allem über die Umsetzung der Arbeitsmarktreformen ("Hartz IV"), über das weitere Vorgehen bei der Pflegeversicherung und die von Rot-Grün angestrebte Bürgerversicherung im Gesundheitswesen beraten. Auch die Familienpolitik soll intensiv erörtert werden.

Doch am Freitagabend sollten zunächst der schwedische Ministerpräsident Göran Persson und der frühere niederländische Premier Wim Kok - beides Sozialdemokraten - über ihre Erfahrungen mit Reformpolitik zwecks Umbau von Sozialstaaten berichten. Die Klausursitzung, die an diesem Sonnabend endet, ist die Fortsetzung einer Kabinettsberatung im brandenburgischen Neuhardenberg Anfang Juli.

Bereits vor der Sitzung in Bonn machte Bundeskanzler Gerhard Schröder klar, dass er nicht an weitere Änderungen bei den Arbeitsmarktreformen denkt. Rot-Grün habe Änderungen beim Auszahlungstermin sowie bei den Freibeträgen für Kinder vorgenommen. "Dabei bleibt es", sagte der Kanzler der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse". Änderungen solle es nur geben, heißt es in der Koalition, wenn sich in der Praxis fehlerhafte Entwicklungen zeigen sollten.

Die Klausur des Kabinetts schließt sich nahtlos an Fraktionsklausuren in den zurückliegenden Tagen an. In der SPD hieß es, die Grundstimmung der meisten Abgeordneten, die aus der Sommerpause zurückkehrten, sei besser und optimistischer gewesen, als es wegen der Proteste gegen "Hartz IV" eigentlich erwartet worden war. Etliche Abgeordnete berichteten, dass in der Bevölkerung mit wachsender Aufklärung auch das Verständnis für die Reform wachse. Einige Fraktionslinke um den Sozialpolitiker Ottmar Schreiner und die Hartz-IV-Kritikerin Sigrid Skarpelis-Sperk konnten sich mit weiteren Änderungswünschen nicht durchsetzen.

Die Grünen, die sich bei einer Klausur in Bad Saarow sehr selbstbewusst präsentierten, zeigten sich nur mäßig begeistert von den Vorschlägen der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), zwecks Umsetzung eines Verfassungsgerichtsurteils Kinderlose bei der Pflegeversicherung stärker zu belasten, kinderlose Rentner aber auszunehmen. Großen Krach wollen die Grünen deshalb aber nicht anfangen.

Die Spitze der Unions-Fraktion wiederum mied Festlegungen. Diskussionsbedarf gibt es zwischen CDU und CSU vor allem in Fragen der Gesundheitspolitik. So blieb offen, ob die Union beim Zahnersatz jetzt den neuen Vorschlag von Gesundheitsministerin Schmidt akzeptiert. Danach soll die von der Union ursprünglich durchgesetzte einkommensunabhängige Pauschale gekippt werden. Die Beiträge für den Zahnersatz sollen weiter prozentual vom Gehalt abhängig erhoben, allerdings allein vom Arbeitnehmer gezahlt werden.